Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verfassungsmäßigkeit der Entfernungspauschale wegen Privilegierung der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel
Leitsatz (redaktionell)
Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass durch die Entfernungspauschale die übersteigenden sowie außergewöhnlichen Aufwendungen abgegolten werden.
Es liegt auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG dadurch vor, dass den Benutzern von Personenkraftwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der volle Abzug der tatsächlich entstandenen Fahrtaufwendungen versagt, den Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel aber gestattet wird.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 2; GG Art. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit den tatsächlichen Kosten sowie die Verfassungsmäßigkeit der Entfernungspauschale.
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten im Streitjahr u.a. als Beamter und Verwaltungsangestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In der Einkommensteuererklärung 2010 machte der Kläger u.a. für 230 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernung 43 km) die tatsächlichen Kosten von 0,44 €/km geltend. Er ermittelte diese wie folgt:
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€ |
€ |
Anschaffungskosten (Octavia Combi Greenline SAD -) |
23.488 |
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AfA für Kalenderjahr 2010, 6 Jahre Nutzungsdauer |
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3.914,73 |
Laufende Kfz-Kosten (Versicherungen, Kfz-Steuer, Treibstoff usw.) |
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4.841,74 |
Fahrleistung (km-Stand) zum 04.01.2010 |
0 |
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Fahrleistung zum 31.12.2010 |
20.212 km |
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Gesamte Kfz-Kosten |
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8.756,47 |
Kosten je gefahrenen km (8.757 € : 20,212 km) |
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0,44 €/km |
Bei der Veranlagung berücksichtigte das Finanzamt die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe der Entfernungspauschale von 0,30 €/km und setzte die Einkommensteuer 2010 mit Bescheid vom 21.11.2011 fest.
Der dagegen eingelegte Einspruch hat keinen Erfolg. In der Teil-Einspruchsentscheidung vom 17.05.2013 führte das Finanzamt sinngemäß aus, bei der Entfernungspauschale handele es sich in ihrem Wesen um eine Pauschale, die den Ansatz eines höheren Betrages grundsätzlich ausschließe.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben.
Sie bringen sinngemäß vor, dem Kläger seien im Streitjahr 2010 für beruflich veranlasste Fahrten tatsächliche Kosten von insgesamt 8.382 € entstanden. Davon habe das Finanzamt im Rahmen der Entfernungspauschale lediglich 2.967 € als Werbungskosten berücksichtigt. Die Beschränkung dieser Kosten auf die Entfernungspauschale stelle vor dem Hintergrund, dass mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisende Steuerpflichtige die tatsächlich entstandenen Kosten absetzen könnten, eine nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar.
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG verbiete steuerpflichtigen Arbeitnehmern einen Werbungskostenabzug für beruflich veranlasste Wegstrecken zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte, soweit die tatsächlichen Aufwendungen den pauschalierten Betrag von 0,30 € pro gefahrenen Kilometer überschritten. Zudem dürfe nur die einfache Wegstrecke zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zugrunde gelegt werden.
§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG schreibe der Entfernungspauschale eine Abgeltungswirkung zu, sodass die tatsächlich höheren Aufwendungen nicht abzugsfähig seien. Hiervon mache § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG insoweit eine Ausnahme, als steuerpflichtige Arbeitnehmer, welche öffentliche Verkehrsmittel benutzten, ihre tatsächlichen Aufwendungen in voller Höhe ansetzen könnten, soweit diese Kosten den im Kalenderjahr insgesamt als Pauschale abziehbaren Betrag überschritten.
Diese gesetzliche Regelung sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz i.S.d. § 3 Abs. 1 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig.
Durch diese gesetzliche Regelung würden Arbeitnehmer, die mit dem eigenen Kfz zur regelmäßigen Arbeitsstätte gelangten, gegenüber der Gruppe von Arbeitnehmern, welche diese Strecke stattdessen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegten, durch die Beschränkung auf die Kostenpauschale ungleich behandelt. Beide Gruppen seien als wesentlich gleich im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einzustufen, weil zwischen ihnen keine erheblichen Unterschiede bestünden, die von vorneherein eine Vergleichbarkeit ausschlössen.
Die Ungleichbehandlung werde von der Verfassung nicht gerechtfertigt, sodass die Beschneidung des Gleichheitssatzes nicht durch eine verfassungskonforme Schranke gedeckt sei. Im Streitfall sei die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs nicht auf eine bloße Willkürprüfung beschränkt. Da Personengruppen - im Gegensatz zu reinen Sachverhalten - ungleich behandelt würden, sei die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung der sogenannten "neuen Formel" des Bundesverfassungsgerichts anzuwenden (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 87, 234 Rn. 78).
Für eine Ungleichbehandlung fehle es bereits an einem legitimen Zweck. Während der Grund für die Verweisung der...