Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundbesitzwert eines bebauten Grundstücks, für das ein Erbbaurecht bestellt ist; Verfassungsmäßigkeit der §§ 146, 148 Abs. 1 Satz 2 BewG
Leitsatz (amtlich)
§§ 146, 148 Abs. 1 Satz 2 BewG verstoßen auch dann, wenn es um die Ermittlung des Grundbesitzwertes hochpreisiger Grundstücke geht, bei denen ein im Verhältnis zum aktuellen Wert niedriger Erbbauzins vereinbart worden war, und wenn das Ende der Laufzeit des Erbbaurechts naht, weder gegen das Übermaßverbot, Art. 20 Abs. 3 GG, noch gegen die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG, noch gegen das Gleichbehandlungsgebot, Art. 3 GG.
Normenkette
BewG §§ 146, 148 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Grundbesitzwert eines bebauten Grundstückes, für das ein Erbbaurecht bestellt ist.
Der Kläger ist Miterbe zu 3/10 an dem Nachlass des am 02. November 1998 verstorbenen Herrn P E B. Der Nachlass bestand im wesentlichen aus dem 563 qm großen, im Eigentum der Gemeinde H stehenden und mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück A-Str. 5 in H, für das der Erblasser das Erbbaurecht, das in 1954 bestellt worden war, innehatte. Der jährlich zu zahlende Erbbauzins betrug im Todeszeitpunkt 75,06 DM.
Unter dem 15. Oktober 1999 erließ der Beklagte für Zwecke der Erbschaftsteuer dem Kläger gegenüber einen Bescheid auf den Tag des Erbfalles über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes (Bl. 12 und 13 Bewertungsakten). (Wegen der von dem Beklagten zur Ermittlung des Grundbesitzwertes vorgenommenen Berechnungen wird auf Bl. 13 Bewertungsakten Bezug genommen).
Mit seinem hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch hat der Kläger eingewendet, die Vergleichsrechnung zur Prüfung des Mindestwertes dürfe nicht angestellt werden, da sich das Grundstück im Eigentum der Gemeinde H befinde. Die rechtliche Stellung des Erblassers sei deshalb der eines Mieters bzw. Pächters vergleichbar gewesen. Außerdem dürfe er, der Kläger, den Grund und Boden nicht verkaufen, das heiße: er könne hieraus keinen Ertrag erzielen. Es sei deshalb lediglich der Gebäudewert anzusetzen. Dieser betrage nach Rücksprache mit dem Amtsgericht N schätzweise höchstens 107.114,-- DM. Außerdem würde der Erbbauzins bei einem Verkauf des Erbbaurechtes auf nunmehr 5.630,-- DM jährlich angepasst werden, weshalb jedenfalls dieser aktuell zu erzielende Erbbauzins - multipliziert mit dem gesetzlich vorgesehenen Faktor - zum Abzug kommen müsse.
Der Einspruch wurde nach Hinzuziehung der Miterbin, Frau I B, mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2000 (Bl. 30 ff Bewertungsakten) zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, der maßgebliche Grundstückswert betrage mindestens den Wert des unbebauten Grund und Bodens. Von diesem Wert, der hier unter Berücksichtigung des von dem Gutachterausschuss der Gemeinde H festgelegten Bodenrichtwertes ermittelt worden sei, sei ein Abschlag in Höhe des Wertes des jährlichen Erbbauzinses mal Vervielfältiger 18,6 zu machen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Grundstück nicht im Eigentum der Erben, sondern lediglich in deren Erbbaurecht stehe. Relevant sei hierbei allein die im Zeitpunkt des Erbfalles tatsächlich bestehende Zahlungsverpflichtung, nicht jedoch ein fiktiver, aktuell oder später zu erzielender Erbbauzins. Außerdem dürfe gemäß § 148 Abs. 1 Satz 3 BewG auch die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses weder bei der Bewertung des Erbbaurechtes noch als gesonderte Verpflichtung abgezogen werden. Ein von der Berechnung des Finanzamtes abweichender niedrigerer Grundstückswert müsse durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachgewiesen werden. Das sei im Streitfall jedoch nicht geschehen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger vorträgt, das vom Finanzamt ausgewiesene rechnerische Ergebnis entspreche den bewertungsgesetzlichen Vorschriften. Das Finanzamt habe auch einen Grundstückswert zugrunde gelegt, der in etwa dem gemeinen Wert bzw. dem tatsächlichen Verkehrswert gleichkomme. Auf den Wert des Erbbaurechtes komme es nach dem Bewertungsgesetz hier nicht an.
Die somit richtige Anwendung des Bewertungsgesetzes führe im Streitfall jedoch zu einem unbilligen Ergebnis. Richte man sich nach dem Bewertungsgesetz, so komme man hier sowohl für den Fall, dass jemand Eigentümer des streitbefangenen Grundstückes sei, als auch für den Fall, dass jemand lediglich Erbbauberechtigter sei, zu demselben Ergebnis. Damit werde gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes, gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie gegen die Gewährleistung des Erbrechtes verstoßen. Dem Kläger sei im Erbwege ein im Vergleich zum Eigentum weitaus geringerer Wert zugekommen, denn während das Eigentum am Grund und Boden in der Regel an Wert gewinne, jederzeit verkäuflich und vererblich sei, verzehre sich das Erbbaurecht mit der Zeit, bis es schli...