Rz. 133
Die vom Erblasser herrührenden Schulden sind zunächst solche, die schon zu seinen Lebzeiten entstanden sind. Dazu gehören alle gesetzlichen, vertraglichen und außervertraglichen Verpflichtungen des Erblassers, z. B. aus Kauf, Miete oder unerlaubten Handlungen. Die Verbindlichkeiten müssen dabei zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein. Zu den Erblasserschulden i. S. d. § 1967 Abs. 2 BGB zählen auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die schon den Erblasser getroffen hätten, wenn er nicht schon vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre. Die Rspr. nimmt eine Abzugsfähigkeit nur an, wenn sich aus der Verbindlichkeit auch eine wirtschaftliche Belastung ergibt. Mit dem zusätzlichen Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung weicht das Erbschaftsteuerrecht vom Zivilrecht ab. Steht fest, dass der Gläubiger seine Ansprüche nicht mehr geltend macht, so ist keine wirtschaftliche Belastung gegeben. Das ist auch der Fall, wenn sich eine Belastung des Erben aufgrund gesicherten Anspruchs auf eine andere Person abwälzen lässt. So kann der Erbe solche Krankheitskosten des Erblassers nicht abziehen, für die ihm ein Beihilfeanspruch zusteht.
Rz. 134
Abzugsfähig sind auch die Steuerschulden des Erblassers, die aufgrund § 45 Abs. 1 AO auf den Erben übergehen, soweit sie nicht mit Betriebsvermögen (Rz. 131) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Abzug der vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt nicht nur voraus, dass die Steuerschulden bei der Entstehung der Erbschaftsteuer, also bei Eintritt des Erbfalls, rechtlich bestehen bzw. durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen durch den Erblasser begründet sind, sondern auch, dass sie zu diesem Stichtag eine wirtschaftliche Belastung darstellen. An einer solchen wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse nicht damit gerechnet werden konnte, dass der Steuergläubiger seine Forderung geltend machen würde. Zeigt sich aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse, dass der Steueranspruch entgegen den Erwartungen am Todestag des Erblassers geltend gemacht werden wird, ist der Steuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern.
Rz. 134a
Ob die Steuern dem Erblasser gegenüber tatsächlich bereits festgesetzt und/oder fällig gestellt worden sind, ist für § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG unerheblich. Ebenso ist unerheblich, dass der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten Einspruch gegen einen Steuerbescheid eingelegt hat und ihm auf Antrag Aussetzung der Vollziehung gewährt worden ist. Steuerschulden, die bis zum Bewertungsstichtag rechtlich entstanden sind, stellen auch dann eine wirtschaftliche Belastung dar, wenn sie vom Stpfl. zunächst nicht konkret vorausgesehen worden waren. Dies gilt auch dann, wenn sich die Steuernachforderung erst aufgrund einer Außenprüfung ergibt.
Etwas anderes gilt nur, wenn der Stpfl. steuererhebliche Sachverhalte bewusst verheimlicht und aus diesem Grunde nicht mit seiner Inanspruchnahme rechnet. Der Erbe kann eine vom Erblasser hinterzogene Einkommensteuer, die auch nach dem Eintritt des Erbfalls nicht festgesetzt worden ist, nicht schon dann als Nachlassverbindlichkeit abziehen, wenn er das für die Festsetzung der Einkommensteuer zuständige FA zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat; maßgebend ist, ob die Steuer tatsächlich festgesetzt wird und der Erbe durch die Steuerfestsetzung wirtschaftlich belastet wird.
Rz. 134b
Dass die Steuerschulden rechtlich entstanden sein müssen, ist nach Änderung der Rspr. nun nicht mehr erforderlich. Der BFH stellt hierbei im Wesentlichen darauf ab, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB lediglich voraussetzen, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff "herrühren" ergebe sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Entscheidend ist danach, ob der Erblasser bis zu seinem Ableben selbst Steuertatbestände verwirklicht und damit das (spätere) Entstehen der Steuerschuld begründet hat. Verwirklicht erst der Erbe den Steuertatbestand (z. B. gem. § 24 S. 2 EStG), hat der Erblasser lediglich die Möglichkeit der Verwirklichung eröffnet.
Der Ermittlung der Steuerschuld wird der durch den Tod markierte verkürzte Ermittlungszeitraum zugrunde gelegt; die Steuer entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres. Zu praktischen Schwierigkeiten führt die neue Rspr. bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden. Stirbt ein Ehegatte und ergibt sich aufgrund der Zusammenveranlagung der Ehegatten für das Todesjahr eine Abschlusszahlung, ist die vom verstorbenen Ehegatten als Erblasser herrührende Einkommensteuerschuld nach Auffassung des BFH analog § 270 AO zu ermitteln. Entsprechendes gilt, wenn zus...