Rz. 42
Nach § 6 Abs. 4 ErbStG stehen Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse den Nacherbschaften gleich – seit der Reform des ErbStG durch das Gesetz vom 24.12.2008 mit Wirkung zum 1.1.2009 gilt dies ergänzend auch für Auflagen, die beim Tod des Beschwerten fällig werden. Eine entsprechende Gesetzesänderung war bereits im Rahmen des Entwurfs des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (BR-Drs. 475/99) vorgesehen, ist jedoch seinerzeit noch nicht umgesetzt worden.
5.1 Nachvermächtnis
Rz. 43
Bei einem Nachvermächtnis gem. § 2191 Abs. 1 BGB muss der vermachte Gegenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt oder mit einem bestimmten Ereignis einem anderen als dem Vermächtnisnehmer zugewendet werden; nach § 2191 Abs. 2 BGB sind die Vorschriften über die Nacherbschaft auf das Nachvermächtnis entsprechend anwendbar. Nach § 6 Abs. 4 ErbStG steht das Nachvermächtnis auch für Zwecke der Erbschaftsteuer der Nacherbschaft gleich. Für die analoge Anwendung von § 6 Abs. 2 bzw. 3 ErbStG ist jeweils danach zu differenzieren, ob das Nachvermächtnis mit dem Tod des Vorvermächtnisnehmers oder durch ein sonstiges Ereignis eintritt. Überträgt der Nachvermächtnisnehmer sein Anwartschaftsrecht auf einen Dritten, gilt als vom Erwerber gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG analog zugewendet, was als Entgelt für die Übertragung der Anwartschaft gewährt wird.
5.2 Beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse
Rz. 44
§ 6 Abs. 4 ErbStG stellt auch beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse der Nacherbschaft gleich. Gem. § 2147 BGB kommt als Beschwerter sowohl ein Erbe, als auch ein Vermächtnisnehmer in Betracht. Nach der entsprechend anwendbaren Regelung des § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG verwirklicht der Vermächtnisnehmer einen Erwerb von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und erwirbt insoweit nicht vom Erblasser, sondern von der Person des Beschwerten (Rz. 27). Soweit dies steuerlich günstiger ist, kann gem. § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG analog beantragt werden, dass der Besteuerung das Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen ist.
Rz. 45
Mit dem Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse spielen insbesondere im Rahmen eines sog. Berliner Testaments nach § 2269 BGB eine Rolle, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben und ihre Kinder als Schlusserben einsetzen und in diesem Zusammenhang bestimmen, dass den Kindern bereits beim Tod des erstversterbenden Elternteils Vermächtnisse zufallen sollen, die jedoch erst mit dem Tod des überlebenden Ehegatten fällig werden. Derartige Vermächtnisse stehen nach § 6 Abs. 4 ErbStG einer Nacherbschaft gleich und sind – sofern kein Antrag gem. § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG auf Versteuerung im Verhältnis zum Erblasser gestellt wird – als Erwerb vom überlebenden Elternteil zu versteuern. Dies hat zur Konsequenz, dass weder beim Tod des erstversterbenden Ehegatten noch beim Tod des überlebenden Ehegatten eine die jeweilige Bereicherung durch Erbanfall mindernde Vermächtnislast i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vorliegt. Nach Ansicht der FinVerw ist jedoch beim Tod des überlebenden Ehegatten eine entsprechende Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig. Die gleichen Grundsätze gelten im Fall einer sog. Jastrowschen Klausel, bei der die Eheleute im Rahmen eines Berliner Testaments testamentarisch bestimmen, dass den Kindern, die beim Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil nicht geltend machen, als Erwerb vom erstversterbenden Elternteil ein Vermächtnis im Wert des Pflichtteils zufallen soll, das erst mit dem Tod des überlebenden Elternteils fällig wird. Die Vermächtnisse werden grds. als Erwerb vom überlebenden Ehegatten besteuert.
Rz. 46
§ 6 Abs. 4 ErbStG gilt angesichts seines eindeutigen Wortlauts ("beim Tod des Beschwerten") nicht für bedingte Vermächtnisse oder solche, die von einem anderen künftigen Ereignis abhängig sind. In diesen Fällen liegt stets ein Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Verhältnis zur Person des Erblassers vor, auf den auch § 6 Abs. 3 ErbStG keine analoge Anwendung findet.