Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 119
Allgemeiner Inhalt. Man muss zunächst festhalten, dass § 20 Abs. 2 mit der Hinzurechnungsbesteuerung nichts zu tun hat. Die Vorschrift regelt die Besteuerung von bestimmten ausländischen Betriebsstätteneinkünften im Inland. Sie ist nur auf unbeschränkt Stpfl. anwendbar, wobei unbeschränkt einkommen- und körperschaftsteuerpflichtige Personen gleich behandelt werden. Die Regelung des § 20 Abs. 2 schlägt an sich nicht auf die Gewerbesteuer durch. Allerdings ist insoweit § 7 Sätze 7 bis 9 GewStG zu beachten (vgl. Anm. 210 ff.). Werden in einer ausländischen Betriebsstätte niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb i.S. des § 8 Abs. 1 und 3 erzielt, so wird im Grundsatz für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2002 beginnen, die Doppelbesteuerung nicht durch die in einem DBA vorgesehene Steuerbefreiung, sondern lediglich durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuern vermieden. Die Vorschrift ist nur dann einschlägig, wenn und soweit ein DBA die Steuerbefreiung im Inland für ausländische Betriebsstätteneinkünfte vorsieht. Sie ist auch auf ausländische Betriebsstätteneinkünfte anzuwenden, die sich zugleich als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. der Art. 6 und 13 Abs. 1 OECD-MA bzw. als Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA darstellen (vgl. Anm. 160). Ein DBA-Aktivitätsvorbehalt ist insoweit vorrangig zu beachten (vgl. Anm. 133), als sich aus ihm steuerfreie Betriebsstätteneinkünfte ergeben können. Dies schließt die Anwendung des § 20 Abs. 2 nicht aus. Dem steht § 2 AO nicht entgegen (vgl. Anm. 82, 102, 159). Seinem Wortlaut nach geht § 20 Abs. 2 den DBA vor. Dieser Grundsatz erfährt jedoch durch das Jahressteuergesetz 2010 Einschränkungen, die rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2003 zu beachten sind.
Rz. 120
Wenig durchdachte Vorschrift. § 20 Abs. 2 mag im Denkansatz seine innere Berechtigung haben (vgl. Anm. 8), wenn man es als unbefriedigend empfindet, dass Einkünfte, die nach §§ 7–14 der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen sind, in der ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens nach einem DBA steuerfrei vereinnahmt werden können. Dennoch besteht das Problem der Vorschrift gerade darin, dass man den nur für ausländische Kapitalgesellschaften geltenden § 8 ohne exakte Ausrichtung auf ausländische Betriebsstätteneinkünfte für entsprechend anwendbar erklärt. § 8, der auf das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter sowie auf die Mitwirkung des Gesellschafters an der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft abstellt, passt in vieler Hinsicht nicht auf ausländische Betriebsstätteneinkünfte (vgl. Anm. 125). Dies gilt insbes. für die Bereiche freiberuflicher Tätigkeiten und gewerblicher Dienstleistungen, weil bei diesen Sachverhalten die Mitwirkung des Betriebsstätteninhabers typisch ist, weshalb eine in dem DBA vereinbarte Steuerbefreiung nicht durch innerstaatliches Recht in ihr Gegenteil "umgedreht" werden sollte. Auch bezogen auf anders gelagerte Sachverhalte drohen nicht selten wirtschaftlich unsinnige Ergebnisse. Es bestehen bezüglich der Auslegung in hohem Umfang Rechtsunsicherheiten.
Rz. 121
§ 20 Abs. 2 setzt ausländische Betriebsstätteneinkünfte voraus. Nach seinem klaren Wortlaut findet § 20 Abs. 2 nur Anwendung, wenn ein unbeschränkt Stpfl. in Dtl. steuerfreie ausländische Betriebsstätteneinkünfte erzielt. Die Steuerbefreiung muss auf einem DBA beruhen (vgl. Anm. 160). Der unbeschränkt Stpfl. kann gleichermaßen natürliche Person oder eine Person i.S. des § 1 Abs. 1 KStG sein. Beschränkt Stpfl. können den Tatbestand des § 20 Abs. 2 nicht verwirklichen, weil ihre ausländischen Betriebsstätteneinkünfte im Inland nicht steuerbar sind. Auf doppelt ansässige Personen ist § 20 Abs. 2 nur anwendbar, wenn und soweit sie ausländische Betriebsstätteneinkünfte erzielen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Mittelpunkt der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Person im Ausland befindet (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA). Bei der praktischen Anwendung von § 20 Abs. 2 sollte man zunächst nach dem Charakter von Betriebsstätteneinkünften und deren Steuerbefreiung nach einem DBA fragen. Liegen keine Betriebsstätteneinkünfte vor oder sind die Betriebsstätteneinkünfte ausnahmsweise sachlich stpfl., so ist § 20 Abs. 2 unanwendbar. Die sachliche Steuerpflicht der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte kann auch auf einer Aktivitätsklausel beruhen. Die an sich gebotene Anwendung des Progressionsvorbehaltes auf steuerfreie ausländische Betriebsstätteneinkünfte schließt die Anwendung des § 20 Abs. 2 nicht aus. Findet allerdings über § 20 Abs. 2 die sog. Anrechnungsmethode Anwendung, so ist für die Anwendung des Progressionsvorbehaltes kein Raum mehr. In der folgenden Kommentierung wird von den Tatbeständen des § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 ausgegangen und jeweils die Frage beantwortet, unter welchen Voraussetzungen einzelne passive Einkünfte die Anwendung des § 20 Abs. 2 auslösen können. Dabei wird zwischen Be...