Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 161
Entstehungsgeschichte. § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG wurde durch das JStG 2007 v. 13.12.2006 mit Wirkung ab VZ 2007 geändert. Während es bis zum VZ 2006 einschl. darauf ankommt, ob die ausländische Steuer tatsächlich noch einem Ermäßigungsanspruch unterliegt, löst ab dem VZ 2007 ein einmal entstandener Ermäßigungsanspruch immer eine Kürzung der ausländischen Steuer aus. Dies gilt unabhängig davon, ob der Stpfl. den Ermäßigungsanspruch in Anspruch genommen hat. Die Frage geht allerdings dahin, wie die deutsche Finanzverwaltung beurteilen will, dass und ob ein ausländischer Ermäßigungsanspruch tatsächlich entstanden ist. Dazu bedarf es besonderer Rechtskenntnisse des ausländischen Steuerrechts, die im Inland regelmäßig nicht gegeben sind. Es steht deshalb zu befürchten, dass sich demnächst die deutschen Finanzgerichte mit der Auslegung ausländischen Steuerrechts befassen müssen und ein strukturelles Vollzugsdefizit eintritt, weil nur der besonders fachkundig beratene Stpfl. den im Ausland nicht mehr nutzbaren Ermäßigungsanspruch (zB bei einem Beraterwechsel) kennen und anzeigen wird.
Rz. 162
Ermäßigungsanspruch. Der Gesetzgeber hat den bis zum VZ 2006 einschl. geltenden Zusatz durch das Steueränderungsgesetz v. 20.8.1980 in § 34 c Abs. 1 Satz 1 aufgenommen, um den Steuerinländer zu veranlassen, alle gegebenen Möglichkeiten der Ermäßigung einer ausländischen Steuer auszuschöpfen, weil dies dem deutschen Fiskus zugutekommt. Ein Ermäßigungsanspruch setzt stets einen Gläubiger und einen Schuldner voraus. Gläubiger des Ermäßigungsanspruchs kann nur der Stpfl. sein, der die Anrechnung ausländischer Steuern begehrt. Schuldner wird idR der Hoheitsträger sein, der die ausländische Steuer festsetzt bzw. an den sie abgeführt wurde. Allerdings kann das ausländische Steuerrecht die Schuldnerschaft auch anderweitig regeln. Der Ermäßigungsanspruch ist in einem weiten Sinne zu verstehen. Er kann auf der Nichtgeltendmachung zusätzlicher Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnlicher Belastungen beruhen. Er kann ebenso darauf zurückzuführen sein, dass die Erstattung oder Anrechnung bestimmter Quellensteuern nicht beantragt wurde. Der Ermäßigungsanspruch kann auf zwingendem Recht oder auf Billigkeitsrecht beruhen. Stets muss jedoch die ausländische Steuer Gegenstand des Ermäßigungsanspruchs sein. Wird die ausländische Steuer von einem Geschäftspartner übernommen, so kann darin keine Ermäßigung i.S. des § 34 c Abs. 1 Satz 1 gesehen werden.
Rz. 163
Erlöschen des Ermäßigungsanspruchs. Der typische Fall eines Ermäßigungsanspruchs ist der, dass die ausländische Steuer fehlerhaft zu hoch festgesetzt wurde. In einem solchen Fall ist es regelmäßig Sache des Stpfl., einen Rechtsbehelf gegen die Steuerfestsetzung einzulegen und i.d.S. den Ermäßigungsanspruch geltend zu machen. In anderen Fällen kann das Stellen eines gesonderten Erstattungsantrags erforderlich sein. Regelmäßig sind derartige Verfahren fristgebunden. Deshalb stellte sich für die Zeit bis zum VZ 2006 einschl. die Frage, ob der Stpfl. verpflichtet war, im Ausland alle denkbaren Verfahren einzuleiten, selbst wenn die Erfolgsaussichten zweifelhaft sind. Der Stpfl. wird an der Durchführung derartiger Verfahren jedenfalls dann kein Interesse haben, wenn er weiß, dass in Deutschland die an sich zu ermäßigende Steuer in voller Höhe angerechnet wird. Insoweit streiten zwei Interessenlagen miteinander. Fiskalisch gesehen hat Deutschland ein Interesse daran, nicht solche ausländischen Steuern anrechnen zu müssen, die eigentlich der ausländische Staat an den Stpfl. hätte erstatten müssen. Andererseits können deutsche Finanzrichter, Finanzbeamte und Steuerberater häufig die nach ausländischem Recht bestehenden Ermäßigungsaussichten nicht beurteilen. Dem Stpfl. kann auch nicht zugemutet werden, aussichtslose Rechtsbehelfe zu führen. Der Verfasser hat erst kürzlich die Erfahrung gemacht, dass sich ein Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer deutschen Kapitalertragsteuer in siebenstelliger Höhe dadurch erledigte, dass die USA sich bereit erklärten, die deutsche Steuer auf ihre Steuer anzurechnen. Man muss deshalb zur Kenntnis nehmen, dass sich das Interesse des Stpfl. häufig auf eine Einmalbesteuerung reduziert. Es ist auch die Sache der beteiligten Staaten, untereinander zu klären, wer die Einmalsteuer vereinnahmen darf.
Rz. 164
Ab 2007 geänderte Rechtslage. Die ab VZ 2007 geänderte Rechtslage verpflichtet die Finanzverwaltung zu der Prüfung der Existenz von Ermäßigungsansprüchen. Dies wird mutmaßlich in einer Art von typisierender Betrachtungsweise geschehen. Daraus folgt zugleich, dass auf besondere Umstände des Einzelfalls sich gründende Ermäßigungsansprüche (zB Geltendmachung zusätzlicher Betriebsausgaben oder Werbungskosten) mutmaßlich nicht entdeckt werden. Die Stpfl. werden die Existenz von Ermäßigungsansprüchen mutmaßlich bestreiten. Im Zweifel wird das Bestreiten ein Verständigu...