Rz. 801

[Autor/Stand] Relevanz. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Inland sind die lokalen Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte und erweitert unbeschränkte und damit im Umkehrschluss auch für die beschränkte und erweitert beschränkte Steuerpflicht. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt in niedrig besteuernden Gebieten sind zusätzliche Voraussetzungen für das Eingreifen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Schließlich setzt die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG als Regeltatbestand die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes voraus. Die Begriffe "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" stellen deshalb Grundpfeiler bei der Anwendung vor allem der §§ 26 AStG dar. Daneben haben die Regelungen zu Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt vor allem Bedeutung im Kindergeldrecht. Ein großer Teil der Rspr., die für das folgende ABC ausgewertet wurde, entstammt Streitigkeiten um Kindergeld. Diesen Umstand gilt es bei der Analyse von Gerichtsentscheidungen zu berücksichtigen, da die Gerichte bisweilen in Kindergeldsachen eine deutlich engere Auslegung der Begriffe "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" vornehmen, als in Fällen, in denen um die unbeschränkte Steuerpflicht gestritten wird.[2]

 

Rz. 802

[Autor/Stand] Gesetzeshistorie. Die Begriffe "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" sind heute in §§ 8 und 9 AO geregelt. Die Gesetzesbestimmungen entsprechen trotz zahlreicher Abweichungen im Wortlaut im Wesentlichen den bis zum 31.12.1976 geltenden §§ 13 und 14 StAnpG. Das folgende ABC greift zu einem gewissen Teil noch auf Rspr. zu §§ 13 und 14 StAnpG zurück. In der Regel kann die Rspr. zu §§ 13 und 14 StAnpG ohne Einschränkung auf Fragen zu §§ 8 und 9 AO übertragen werden.

 

Rz. 803

[Autor/Stand] Verhältnis zu DBA. Vom Wohnsitz i.S.d. § 8 AO ist der Begriff der ständigen Wohnstätte im Recht der DBA zu unterscheiden.[5] Der Wohnsitzbegriff des § 8 AO schließt die Möglichkeit mehrerer Wohnsitze nebeneinander ein. Die ständige Wohnstätte i.S. der DBA dient aber gerade zur Bestimmung des Staates, dem das Besteuerungsrecht als Wohnsitzstaat zugestanden werden soll. Aus diesem Grunde muss der Wohnstättenbegriff i.S. der DBA enger sein. Sind mehrere Wohnsitze i.S.d. § 8 AO gegeben, so kann nur einer von ihnen als Anknüpfungspunkt den Wohnsitzstaat i.S. der DBA begründen. Welcher Wohnsitz für die Anwendung eines DBA maßgeblich ist, ergibt sich jeweils aus dem einzelnen DBA. Die dort niedergelegte Definition ist allerdings auch nur für die Anwendung des DBA maßgebend. Besteht nach DBA ein deutsches Besteuerungsrecht, so bestimmt sich nach § 8 AO, ob die Grundsätze der unbeschränkten oder einer beschränkten Steuerpflicht greifen. Hat ein Steuerpflichtiger mehrere Wohnsitze, wovon sich einer im Inland und zumindest ein anderer im Ausland befindet, so ist der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen für die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unbeachtlich.[6] Die Frage eines Lebensmittelpunkts ist allein für die Frage der Ansässigkeit i.S. eines DBA relevant.

[Autor/Stand] Autor: Häck, Stand: 01.10.2021
[2] Das FG München v. 14.5.2018 – 7 K 846/17, EFG 2018, 1240 Rz. 16 stellt (zutreffend) ausdrücklich klar, dass im Kindergeldrecht keine strengeren Anforderungen an den Wohnsitzbegriff gestellt werden dürfen.
[Autor/Stand] Autor: Häck, Stand: 01.10.2021
[Autor/Stand] Autor: Häck, Stand: 01.10.2021
[5] Vgl. hierzu ausführlich Pohl in Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 30 ff., 61 ff.
[6] BFH v. 23.10.2018 – I R 74/16, BFH/NV 2019, 388, ISR 2019, 157 ff., Rz. 18.

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