Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
a) Übertragung oder Überlassung zur Nutzung
Die Übertragung oder Überlassung zur Nutzung ...
aa) Vorbemerkungen
Rz. 2606
Abgrenzung der Übertragung von der Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter. Die Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter, also die endgültige Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums, ist von der zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern zu unterscheiden. In manchen Fällen ist aufgrund nicht eindeutig formulierter Verträge nicht erkennbar, ob es sich um eine endgültige Eigentumsübertragung oder eine zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung handelt, so dass der Parteiwille zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu erforschen ist. Diese Notwendigkeit besteht ebenfalls in Fällen, in denen im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt wird, dass immaterielle Wirtschaftsgüter von einer nahestehenden Person genutzt wurden, ohne dass entsprechende vertragliche Regelungen vereinbart wurden.
bb) Maßgebender Eigentumsbegriff
Rz. 2607
Rechtliches Eigentum. Für die Klärung der Frage einer Übertragung oder Überlassung kommt es also darauf an, welcher Gesellschaft das Eigentum an den Wirtschaftsgütern zuzuordnen ist. Nach deutschem Steuerrecht sind Wirtschaftsgüter nur im ersten Prüfungsschritt dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzuordnen. Insofern bietet sich zunächst die Art des Vertrags für eine Zuordnung an: Während bei einem Kaufvertrag das rechtliche Eigentum übergeht (Übertragung), verbleibt bei einem Lizenz- oder Pachtvertrag das rechtliche Eigentum bei der ursprünglichen Gesellschaft (Überlassung).
Rz. 2608
Wirtschaftliches Eigentum. Letztlich entscheidend ist jedoch der zweite Prüfungsschritt, bei dem das wirtschaftliche Eigentum zugeordnet wird. So kann sich eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zuordnung dann ergeben, wenn ein anderer (etwa der Lizenznehmer) die tatsächliche Sachherrschaft über ein immaterielles Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den rechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf dieses wirtschaftlich ausschließen kann (wirtschaftliches Eigentum). Zur Klärung der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums wird nach allgemeinem Verständnis darauf abgestellt, wer nach dem Gesamtbild der Umstände Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten des immateriellen Wirtschaftsguts trägt. Insofern sind insbesondere die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den beteiligten Unternehmen zu prüfen. Generell bereitet es allerdings bei immateriellen Wirtschaftsgütern meist erhebliche Schwierigkeiten, das wirtschaftliche Eigentum zuzuordnen.
Rz. 2609
Kriterien für die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums. Für die Frage, wem das wirtschaftliche Eigentum an einem immateriellen Wert zuzurechnen ist, kommt es jeweils auf das Stammrecht an, das in entsprechender Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zu beurteilen ist. Maßgeblich ist hierbei insbesondere, ob eine zivilrechtliche Überlassung ihrer Natur nach oder nach dem Vertrag zeitlich begrenzt ist oder nicht. Dies bedeutet: Derjenige, dem das Wirtschaftsgut abweichend von der zivilrechtlichen Rechtsstellung zugeordnet werden soll, muss den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen können. Er muss mithin eine rechtlich abgesicherte Position haben, die es ihm ermöglicht, den nach zivilrechtlich Berechtigten dauerhaft (i.d.R. für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts) von der Einwirkung auf das betreffende Wirtschaftsgut auszuschließen. Ob vom zivilrechtlichen Eigentum abweichendes wirtschaftliches Eigentum vorliegt oder nicht, ist dabei nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen. Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO wird u.a. angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat.
Nach Maßgabe der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung ist es für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums von Rechten im Fall einer zivilrechtlichen Nutzungsüberlassung erforderlich, dass folgende Kriterien kumulativ vorliegen; ist nur ein Kriterium nicht erfüllt, ist der zivilrechtliche Eigentümer nicht von der Einwirkung auf das Recht ausgeschlossen:
- Exklusives Nutzungsrecht : Der Übergang des Rechts erfordert ein exklusives Nutzungsrecht über alle Nutzungsarten während der gesamten Schutzdauer (sonst nur Einräumung einzelner Nutzungsmöglichkeiten, nicht aber Übertragung des Stammrechts), sodass dem Nutzungsberechtigten für die voraussichtliche Nutzungsdauer Substanz und Ertrag des Wirtschaftsguts wirtschaftlich zustehen.
- Vertragslaufzeit bis zur Wertlosigkeit des Rechts: Der Übergang des Rechts setzt eine Nutzung des betroffenen Rechts bis zur Wertlosigkeit voraus. Hierbei ist zu beachten, dass nach jüngster (höchstrichterlicher) Rechtsprechung bei immateriellen Wirtschaftsgütern eine wirtschaftliche Beteili...