Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
..., nicht oder nur unwesentlich besteuert wird, ...
Rz. 41
Unbedeutender Anwendungsbereich des § 16. Der Anwendungsbereich des § 16 ist in der Praxis sehr gering. Dies beruht in erster Linie auf der Tatsache, dass § 16 zwar einerseits nicht auf nahestehende Personen abstellt, jedoch andererseits eine im Ausland ansässige Person voraussetzt, die mit ihren Einkünften nicht oder nur unwesentlich besteuert wird. Wer soll diese Voraussetzung darlegen und nachweisen? Wie soll ein FG, das über die Anwendung des § 16 im Einzelfall zu entscheiden hat, sich davon überzeugen, dass der ausländische Geschäftspartner nur unwesentlich besteuert wird? Die sog. Darlegungs- und Beweislast liegt beim FA. Dem Steuerpflichtigen ist der Nachweis jedenfalls dann nicht zuzumuten, wenn er unwiderlegbar behauptet, gegenüber dem Ausländer als fremder Dritter aufgetreten zu sein. Der Finanzverwaltung wird der Nachweis i.d.R. nicht möglich sein. Sollte er dennoch im Einzelfall möglich sein, ist die Finanzverwaltung gegenüber fremden Dritten gehalten, das Steuergeheimnis zu wahren. Es liegt auf der Hand, dass der Steuerpflichtige sich im Rahmen des § 16 stets darauf beruft, sein ausländischer Geschäftspartner unterliege mit seinen Einkünften einer wesentlichen Besteuerung.
Rz. 42
Ertragsteuerlastquote maßgebend. Soweit der Nachweis der Steuerlast des ausländischen Geschäftspartners dennoch gelingen sollte, ist zu beachten, dass für die Anwendung von § 16 die Ertragsteuerlastquote maßgebend ist. Dabei sind Ertragsteuern aller Art heranzuziehen, ggf. auch eine Gewerbeertragsteuer oder ähnliche letztlich auf den Ertrag abzielende Steuern. Es ist unerheblich, ob die ausländische Ertragsteuer der deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuer ähnlich ist. In den Steuerbelastungsvergleich sind deshalb insbesondere auch kantonale, Provinz-, Stadt- und Gemeindesteuern einzubeziehen. § 16 stellt nicht darauf ab, ob die Steuern in einem bestimmten Staat erhoben worden sind. Aus diesem Grunde sind auch Drittstaatensteuern (z.B. Betriebsstättenstaatsteuern) zu berücksichtigen. Schließlich fallen Quellensteuern regelmäßig unter den Begriff der Ertragsteuern, weshalb z.B. auch deutsche Quellensteuern in den Steuerbelastungsvergleich einzubeziehen sind. Dagegen müssen Vermögensteuern, evtl. Gewerbekapitalsteuern und auch Umsatzsteuern unberücksichtigt bleiben. Zu beachten ist, dass § 16 abweichend von § 8 Abs. 5 nicht auf die Steuerbelastung sog. Zwischeneinkünfte bzw. Einkünfte aus passivem Erwerb abstellt, sondern alle Einkünfte anspricht, die aus Geschäftsbeziehungen mit dem Steuerpflichtigen resultieren. Im Einzelfall macht dies eine isolierte Betrachtung der Einkünfte des Steuerausländers aus seinen Geschäftsbeziehungen zum Steuerpflichtigen erforderlich.
Rz. 43
Das Merkmal der unwesentlichen Steuerlastquote ist einmal eine Frage der Gewinnermittlungsvorschriften und zum anderen eine Frage der schädlichen Steuerbelastungsgrenze. Da der hier interessierende ausländische Geschäftspartner i.d.R. im Inland nicht steuerpflichtig ist und deshalb nicht den deutschen Gewinnermittlungsvorschriften unterliegt, kommt nur die nach dem jeweiligen ausländischen Recht maßgebende Gewinnermittlung in Betracht. Dabei kann dahinstehen, ob die Gewinnermittlung im Ausland letztlich auf Steuerrecht oder auf Handelsrecht beruht. Maßgeblich ist die im Ausland für steuerliche Zwecke anzufertigende Gewinnermittlung, selbst wenn das ausländische Recht vom deutschen Steuerrecht erheblich abweicht.
Rz. 44
Bei der Auslegung des Begriffes "unwesentlich besteuert" wird man die Entstehungsgeschichte der Bestimmung beachten müssen. Die Finanzverwaltung legt den Begriff "unwesentlich besteuert" i.S. einer niedrigen Besteuerung gem. § 8 Abs. 5 aus. Konsequenterweise müsste die Finanzverwaltung wegen der Änderung des § 8 Abs. 5 für die Zeit ab dem 1.1.2024 für eine Unwesentlichkeitsgrenze unterhalb von 15 % eintreten. Für diese Auslegung ist jedoch eine Rechtsgrundlage nicht zu erkennen. Sie wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift widerlegt: Der 1. RefE v. 23.12.1970 wie auch der 3. RefE v. 20.4.1971 enthielten nämlich als terminus technicus den Hinweis auf eine "niedrige Besteuerung", wobei der 3. RefE sogar von einer niedrigen Besteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 sprach. Bei einer entsprechenden Formulierung durch den Gesetzgeber hätten an der Richtigkeit der heutigen Verwaltungsauffassung kaum Zweifel bestehen können. Jedoch ist schon der KabE v. 30.6.1971 von dieser Formulierung abgewichen. Nunmehr ist von "unwesentlicher Besteuerung" die Rede. Der Gesetzgeber ist diesem Vorschlag schließlich gefolgt. Angesichts dieser Entstehungsgeschichte wird man kaum daran zweifeln können, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Bezugnahme auf § 8 Abs. 3 abgesehen hat. Dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass der Regelungsgehalt von § 16 nichts mit den sog. Zwischengesellschaften i.S. des §§ 7–14 zu tun hat (vgl. Rz. 27). § ...