Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 867
Auswahl der "richtigen" Verrechnungspreismethode. Die VWG 2020 regeln zwar grundsätzlich Verwaltungsanweisungen für Zwecke der Einkunftsabgrenzung nur in Bezug auf Mitwirkungspflichten sowie die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen und Zuschlägen. Sie enthalten jedoch auch eine durchaus beachtliche Verwaltungsauffassung zur Methodenauswahl durch die Finanzbehörde, und zwar außerhalb der Plausibilisierung der nach einer Verrechnungspreismethode bestimmten Ergebnisse durch die Anwendung einer anderen Verrechnungspreismethode. Nach Rz. 45 der VWG 2020 soll der Steuerpflichtige u.a. verpflichtet sein aufzuzeichnen, weshalb er die von ihm angewandte Verrechnungspreismethode für "die am besten geeignete Methode" hält. Diese Verpflichtung wird aus § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d GAufzV abgeleitet ("daher"), nach der allerdings "lediglich" die Auswahl und die Geeignetheit der angewandten Verrechnungspreismethode zu begründen ist. Offensichtlich wurde die Verwaltungsauffassung im Vorgriff auf die gesetzliche Neuregelung in § 1 Abs. 3 Satz 5 formuliert; sie ist deshalb für VZ vor 2022 ohne Rechtsgrundlage. Da der Steuerpflichtige auch nach Verwaltungsauffassung nicht zur Verprobung seiner Ergebnisse nach anderen Methoden verpflichtet sein soll, wird diesem Unterschied jedenfalls dann keine große praktische Bedeutung zukommen, wenn aus der fehlenden Aufzeichnung über die Gründe des Steuerpflichtigen, weshalb die angewandte Verrechnungspreismethode auch "die am besten geeignete Methode" sein soll, im konkreten Einzelfall nicht die Verwertbarkeit der angemessenheitsbezogenen Aufzeichnungen angezweifelt wird. Beachtlicher ist hingegen die Auffassung der Finanzverwaltung in Rz. 46 der VWG 2020, nach der die Finanzbehörden die "richtige Verrechnungspreismethode" selbst auswählen. Zu berücksichtigen ist, dass das Konzept der "am besten geeigneten Verrechnungspreismethode" das Nebeneinander von zwei und mehr Verrechnungspreismethoden, die gleich zuverlässig anwendbar sind, ausdrücklich zulässt und auch der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 5 zugrunde liegt (Rz. 860). Insofern kann etwa i.R. einer Betriebsprüfung die vom Steuerpflichtigen tatsächlich angewandte Verrechnungspreismethode nicht mit dem Hinweis verworfen werden, die Alternativmethode sei die geeignetste Methode. Dies erst recht nicht, wenn die Alternativmethode eine geschäftsvorfallbezogene Gewinnmethode ist, die eine Standardmethode verdrängen soll (vgl. Rz. 860). Offensichtlich will die Finanzverwaltung den in der Prüfungspraxis festzustellenden Einzelfällen, in denen – insbesondere bei der Festlegung konzerninterner Zinssätze – der Steuerpflichtige die Preisvergleichsmethode angewendet hat und die verwaltungsseitig zwingende Prüfung nach ebendieser Methode zwischen den Beteiligten streitig ist, mit einer entsprechenden Verwaltungsanweisung begegnen.
Rz. 868
Einkünftekorrektur bei "wahrscheinlicheren" Ergebnissen der Alternativmethode. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen in Fällen, in denen die Finanzbehörde eine andere als die vom Steuerpflichtigen tatsächlich angewandte Verrechnungspreismethode für die "geeignetste" Verrechnungspreismethode hält, eine Einkünfteberichtigung dann in Betracht kommen, "wenn die Ergebnisse der Alternativmethode wahrscheinlicher sind". Ferner soll der Steuerpflichtige verpflichtet sein, die hierfür erforderlichen Informationen der Finanzbehörde vorzulegen. Für die entsprechenden Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten besteht hingegen keine Rechtsgrundlage, weil der Steuerpflichtige nur für die von ihm tatsächlich angewandte Verrechnungspreismethode (methodenspezifische) Vergleichswerte zu ermitteln und Aufzeichnungen zu erstellen hat. Was überdies Wahrscheinlichkeiten in Bezug auf Verrechnungspreisergebnisse betrifft, die nach unterschiedlichen, gleich zuverlässig anwendbaren Verrechnungspreismethoden bestimmt wurden, hat jedenfalls nach dem in § 1 Abs. 3 Satz 5 angelegten Konzept der "am besten geeigneten Verrechnungspreismethode" nur der Vorrang der Standardmetthoden gegenüber den geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden und derjenige der Preisvergleichsmethode gegenüber jeder anderen Verrechnungspreismethode Bedeutung. I.Ü. lässt sich auf eine verwaltungsseitig behauptete höhere Wahrscheinlichkeit von Verrechnungspreisergebnissen keine Einkünfteberichtigung stützen. Ferner kommt einem möglichen Überschneidungsbereich der jeweils mittels eingeengter methodenspezifischer Bandbreiten – bezogen auf die vom Steuerpflichtigen angewandte Verrechnungspreismethode und die von der Finanzbehörde zugrunde gelegte Alternativmethode – bestimmten Fremdvergleichspreise eine gewisse Beweiskraft zu. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Methode zur Einengung methodenspezifisch bestimmter (Fremdvergleichs)Preisbandbreiten nicht in § 1 Abs. 3a Sätze 2 und 3 angelegt ist.