Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 856
Kein abschließendes Rangfolgeverhältnis in der Altregelung. Ein Rangfolgeverhältnis der Verrechnungspreismethoden ist im innerstaatlichen Recht gesetzlich nicht (abschließend) geregelt. Der Wortlaut des letztmals für den VZ 2021 anzuwendenden § 1 Abs. 3 Satz 1 a.F. könnte zwar implizieren, der Gesetzgeber hätte zum einen den Vorrang der Standardmethoden grundsätzlich geregelt und diese zum anderen gleichberechtigt nebeneinandergestellt. Einer näheren Überprüfung hält diese Vermutung allerdings nicht stand. Denn § 1 Abs. 3 Satz 1 a.F. hat kein gesetzliches Stufenverhältnis zwischen den Standardmethoden aufgestellt, sondern den uneingeschränkten Vorrang des tatsächlichen Fremdvergleichs vor dem hypothetischen Fremdvergleich geregelt. Hierzu hatte sich der Gesetzgeber eines Stufenverhältnisses bedient, das sich grafisch wie folgt darstellen lässt:
Stufe 1 |
tatsächlicher Fremdvergleich uneingeschränkt vergleichbare Werte |
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Stufe 2 |
tatsächlicher Fremdvergleich eingeschränkt vergleichbare Werte |
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Stufe 3 |
hypothetischer Fremdvergleich Ermittlung eines (hypothetischen) Einigungsbereichs |
Rz. 857
Übernahme des OECD-Ansatzes der "am besten geeigneten Verrechnungspreismethode". Nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ist der Fremdvergleichspreis grundsätzlich nach der im Hinblick auf die Vergleichbarkeitsanalyse und die Verfügbarkeit von Werten zu vergleichbaren Geschäftsvorfällen voneinander unabhängiger Dritter am besten geeigneten Verrechnungspreismethode zu bestimmen. Hierdurch wird der OECD-Ansatz der "am besten geeigneten Verrechnungspreismethode" für die Auswahl der anzuwendenden Verrechnungspreismethode in das innerstaatliche Recht übernommen. Die bisher jedenfalls in Fällen der eingeschränkten Vergleichbarkeit nach dem Gesetzeswortlaut § 1 Abs. 3 Satz 2 a.F. weitergehende Fassung, dass "jede geeignete Verrechnungspreismethode" der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde gelegt werden konnte und damit geeignete Verrechnungspreismethoden gleichrangig nebeneinander anwendbar waren, wird nunmehr auf den OECD-Ansatz zurückgeführt. In der Praxis war dieser Unterschied nicht von Bedeutung, da auch nach dem OECD-Ansatz für die Feststellung der Besteignung einer bestimmten Verrechnungspreismethode der Steuerpflichtige ausdrücklich nicht gehalten ist, jede infrage kommende Verrechnungspreismethode eingehend zu analysieren oder für die Auswahl der am besten geeigneten Methode zu testen.
Rz. 858
Auswahlkonzept der OECD-Leitlinien. Statt einer strengen Methodenhierarchie kommt bezogen auf die einzelne Transaktion die "am besten geeignete Verrechnungspreismethode " (" most appropriate method ") zum Tragen. Konzeptionell geht dieser Ansatz erkennbar auf die sog. "Best-Method-Rule" der US-amerikanischen Verrechnungspreis-Richtlinien zurück. Er erfordert eine Abwägung der Stärken und Schwächen der einzelnen Verrechnungspreismethoden, die insbesondere an folgenden Kriterien auszurichten ist:
- die Eignung der Methode im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der konzerninternen Transaktion, wie er sich insbesondere nach der Funktionsanalyse darstellt,
- die Verfügbarkeit hinreichend verlässlicher Daten (insbesondere Fremdvergleichsdaten) im Hinblick auf die jeweilige Verrechnungspreismethode,
- der Grad der Vergleichbarkeit von konzerninterner Transaktion und Vergleichstransaktionen, einschließlich der Zuverlässigkeit von Anpassungsrechnungen zur Herstellung der Vergleichbarkeit.
Rz. 859
Kriterien für das Auswahlverfahren. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll das Auswahlverfahren für die Feststellung der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode – unter entsprechender Bezugnahme auf Tz. 2.2. OECD-Leitlinien – den Vor- und Nachteilen der anerkannten Verrechnungspreismethoden, der Angemessenheit der herangezogenen Methode angesichts der Art des konzerninternen Geschäftsvorfalls, die im Einzelnen durch eine Funktionsanalyse bestimmt wird, der Verfügbarkeit zuverlässiger Informationen (insbesondere zu vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfällen), die zur Anwendung der ausgewählten Methode und/oder Methoden notwendig sind, sowie dem Grad der Vergleichbarkeit von konzerninternen Geschäftsvorfällen und Fremdgeschäftsvorfällen Rechnung tragen. Dies schließt die Zuverlässigkeit der Anpassungen, die zur Herstellung der Vergleichbarkeit erforderlich sein können, um erhebliche Unterschiede zu beseitigen, mit ein. Die Gesetzesbegründung verweist darüber hinaus nicht auf Tz. 2.8 OECD-Leitlinien, wonach der Steuerpflichtige ausdrücklich nicht gehalten ist, jede infrage kommende Verrechnungspreismethode eingehend zu analysieren oder für die Auswahl der am besten geeigneten Methode zu testen. Dessen ungeachtet, enthält weder der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 5 eine entsprechende Verpflichtung, noch lässt sich der Gesetzesbegründung ein hierauf gerichteter Wille des Gesetzgebers entnehmen. Insofern ist davon auszugehen, dass auch in dieser Hinsicht umfassend auf d...