Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 222
Ebenso wie bei verdeckten Gewinnausschüttungen, die mit der Übertragung von Anlagevermögen zusammenhängen, kann die verdeckte Gewinnausschüttung im Bereich des Umlaufvermögens daraus resultieren, dass ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens von der Gesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis an den Gesellschafter veräußert oder von der Gesellschaft zu einem unangemessen hohen Entgelt vom Gesellschafter erworben wird.
Rz. 222a
Veräußert die Gesellschaft ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens zu einem unangemessen niedrigen Preis an den Gesellschafter, so scheidet ein Vermögenswert ohne angemessene Gegenleistung aus dem Vermögen der Gesellschaft aus. Es liegt die gleiche Fallgestaltung vor wie bei der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens zu einem unangemessen niedrigen Preis. Die Behandlung entspricht daher der in Rz. 218 dargestellten.
Rz. 223
Beim Gesellschafter ist für die Behandlung des Erwerbs des Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens gegen ein unangemessen niedriges Entgelt zu unterscheiden, ob das Wirtschaftsgut am maßgebenden Bilanzstichtag noch in seinem Vermögen vorhanden ist oder nicht. In beiden Fällen ist der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung als Kapitalertrag zu erfassen, die weiteren Korrekturen sind aber unterschiedlich. Ist das Wirtschaftsgut im Umlaufvermögen des Gesellschafters nicht mehr enthalten, sondern bereits veräußert worden, war der Rohgewinn wegen der geringeren Anschaffungskosten zu hoch. Der Teil des Rohgewinns, der auf den aus gesellschaftsrechtlichen Gründen zu niedrigen Anschaffungskosten beruht, ist aus dem Betriebsergebnis auszuscheiden, da er bereits als Kapitalertrag bei der verdeckten Gewinnausschüttung erfasst worden ist. Rohgewinnminderung und Kapitalertrag aus der verdeckten Gewinnausschüttung gleichen sich betragsmäßig aus.
Die Gesellschaft hat dem Gesellschafter Waren im Wert von 10.000 EUR zum Preis von 6.000 EUR verkauft. Der Gesellschafter hat die Waren im gleichen Besteuerungszeitraum für 11.000 EUR weiterveräußert. Der Rohgewinn für den Gesellschafter betrug daher buchmäßig 5.000 EUR. Davon sind aber nur 1.000 EUR betrieblich veranlasst, während 4.000 EUR ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben. Es ist daher nur der betrieblich erzielte Rohgewinn von 1.000 EUR anzusetzen. Daneben hat der Gesellschafter einen Kapitalertrag i. H. v. 4.000 EUR aus der verdeckten Gewinnausschüttung zu versteuern. Die Einkünfte des Gesellschafters mindern sich insofern, als die verdeckte Gewinnausschüttung nur mit 60 % anzusetzen ist. Ist der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft, ist die verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8b Abs. 1 KStG unter Berücksichtigung des § 8b Abs. 5 KStG steuerfrei. Der buchmäßige Rohgewinn war demgegenüber voll zu versteuern.
Rz. 223a
Sind die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag vom Gesellschafter noch nicht veräußert worden, stehen sie mit zu niedrigen Anschaffungskosten zu Buche. Der Gewinn des Gesellschafters ist daher um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung zu niedrig. Das wird korrigiert durch den bilanziellen Ansatz der höheren Anschaffungskosten. Der dadurch entstehende Gewinn ist der Kapitalertrag aus der verdeckten Gewinnausschüttung. Dadurch wird erreicht, dass bei einer späteren Veräußerung des Wirtschaftsguts die höheren Anschaffungskosten zugrunde gelegt werden. Der Rohgewinn wird also niedriger ausfallen, eine doppelte Erfassung der verdeckten Gewinnausschüttung wird vermieden. Eine mögliche Abweichung von der Handelsbilanz wird durch die Einschränkung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes durch den Bewertungsvorbehalt in § 5 Abs. 6 EStG gerechtfertigt.
Rz. 223b
Sind die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nicht in das Betriebsvermögen des Gesellschafters gelangt, sondern in sein Privatvermögen, ist außer dem Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung als Kapitalertrag keine Korrektur erforderlich.
Rz. 224
Zahlt die Gesellschaft für die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens an den Gesellschafter ein unangemessen hohes Entgelt, gilt für die Behandlung bei der Gesellschaft Folgendes: Sind die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens bis zum Schluss des Wirtschaftsjahrs, in dem der Vorgang stattgefunden hat, bereits von der Gesellschaft veräußert worden, so sind Rohgewinn, Bilanzgewinn und Einkommen wegen der überhöhten Einstandskosten gemindert worden. Darin liegt eine Vermögensminderung, die zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt. Es hat daher eine Hinzurechnung in Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte und daher dem Einkommen zu erfolgen.
Rz. 224a
Sind die Waren zu diesem Bilanzstichtag noch nicht veräußert worden, stehen sie mit überhöhten Anschaffungskosten in der Bilanz. Diese Anschaffungskosten sind um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung zu vermindern. Dabei ist der dadurch entstehende Aufwand (Minderung des Steuerbilanzgewinns) bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte als verdeckte Gewinnausschüt...