Rz. 367
Insbesondere bei Familiengesellschaften ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Komplementär zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Kommanditistenstellung einrückt, während umgekehrt ein Kommanditist zum Komplementär wird. In diesen Fällen stellt sich die Frage, was mit den bisher als ausgleichsfähig oder nur verrechenbar behandelten Verlusten geschieht, wenn sie nach der neuen Haftungslage anderen Ausgleichsbeschränkungen unterliegen.
Rz. 368
Im Fall des Wechsels vom Komplementär zum Kommanditisten besteht zwar auch nach dem Wechsel für eine gewisse Zeit noch eine unbeschränkte Haftung. Während dieser Zeit der sog. Nachhaftung (§ 160 Abs. 3 HGB a. F.; ab 1.1.2024: § 137 Abs. 5 HGB) können indessen weitere Verluste bei bestehendem negativem Kapitalkonto nicht mehr ausgeglichen werden. Diese Folge ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes: "Der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust … darf weder … noch … ausgeglichen werden." Aus allg. ertragsteuerlicher Sicht hat sich durch den Wechsel vom unbeschränkt zum beschränkt haftenden Gesellschafter nichts geändert; er war bisher und ist weiterhin Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Aus der besonderen Sicht des § 15a EStG entfällt indessen künftig ein Verlustausgleich bei negativem Kapitalkonto, wenn im Zeitpunkt der Verlustzurechnung schon die handelsrechtliche Stellung eines Kommanditisten besteht.
Rz. 369
Ergänzend stellt sich beim Wechsel während des Wirtschaftsjahres die Frage, ab wann die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15a EStG einsetzt. Denkbar wären der Bilanzstichtag (in Anlehnung an die Formulierung in Abs. 1 S. 2) oder das gesamte Wirtschaftsjahr des Wechsels (in Anlehnung an Abs. 2 und 3).
Rz. 370
Hierzu hat der BFH entschieden, dass § 15a EStG für das gesamte Wirtschaftsjahr des Wechsels der Gesellschafterstellung anzuwenden ist. Er begründet diese Beurteilung mit dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG, dem Zusammenhang mit den weiteren Regelungen der Bestimmung sowie ihrer Entstehungsgeschichte. Verwiesen wird insbesondere darauf, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, sämtliche Haftungstatbestände des HGB in § 15a EStG einzubeziehen. Das müsse auch für die Haftung des Kommanditisten nach § 160 Abs. 3 HGB a. F. gelten (ab 1.1.2024: § 137 Abs. 3 HGB).
Rz. 371
Für den Fall, dass der bisherige Komplementär bei negativem Kapitalkonto Verluste ausgeglichen hat, entsteht ein zusätzliches Problem. Man könnte die Auffassung vertreten, der Wechsel vom Komplementär zum Kommanditisten sei vergleichbar mit einer Haftungsminderung und begründe eine fiktive Gewinnzurechnung im Rahmen des § 15a Abs. 3 S. 3 EStG (Rz. 302ff.), wenn die Haftsumme das negative Kapital unterschreitet. Eine derartige Sachverhaltsvariante hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht bedacht und deshalb auch nicht geregelt. Weil eine analoge Anwendung von § 15a Abs. 3 S. 3 EStG steuerverschärfend wirkt, kann sie nicht in Betracht gezogen werden.
Rz. 372
Im Fall des Wechsels vom Kommanditisten zum Komplementär wiegen die Folgen für den Mitunternehmer ungleich schwerer. Neben die Frage des Beginns des unbegrenzten Verlustausgleichs tritt eine weitere, die in die Vergangenheit hineinreicht. Sie betrifft das Schicksal der bisher nicht ausgeglichenen, verrechenbaren Verluste, wenn die unbeschränkte Haftung für Gesellschaftsschulden einsetzt. Im Schrifttum wurde vereinzelt die Auffassung vertreten, mit der Übernahme der Vollhaftung werde ein verrechenbarer Verlust sogleich zu einem sofort ausgleichsfähigen. Diese Schlussfolgerung lässt sich indes aus dem Gesetz nicht ableiten. Sie negiert den allg. Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, indem sie Verluste für einen Zeitraum ertragsteuerlich wirksam werden lässt, in dem sie nachweislich nicht entstanden sind. Nun kann man einwenden, diese Wirkung gelte für § 15a EStG schlechthin; dieser Einwand trifft zwar zu, berücksichtigt indessen nicht, dass für diese Wirkung eine ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht.
Rz. 373
Daher ist der verrechenbare und damit vorläufig gebundene Verlust nur durch einen späteren Gewinn aus der Bindung lösbar. Allein der Wandel der Rechtsstellung ist nicht geeignet, den bisher festgestellten verrechenbaren Verlust in einen ausgleichsfähigen Verlust umzuqualifizieren. Das folgt aus der Tatsache, dass auch bei nachträglicher Haftungserweiterung keine Umqualifizierung vorgenommen wird. Auch dort kann mangels einer besonderen gesetzlichen Regelung ein verrechenbarer Verlust im Jahr der Erweiterung nicht nachträglich ausgeglichen werden. Wenn schon eine begrenzte Haftungserweiterung durch Haftsummenerhöhung keinen nachträglichen Ausgleich von verrechenbaren Verlusten bewirken kann, muss er auch einer unbegrenzten Haftungserweiterung durch den Wechsel in die Komplementärstellung versagt bleiben.
Rz. 374
Allerdings entfällt die Ausgleichsbeschränkung schon für das gesamte Wirtschaftsjahr, in dem der Statuswechsel vorgenommen wird. Außerdem können die bisher festgestellten verrechenba...