Rz. 45
Nießbrauchsgestaltungen zeichnen sich dadurch aus, dass das Vermögen und dessen Erträge unterschiedlichen Personen zugeordnet werden. Bei einem Nießbrauchsvorbehalt überträgt der bisherige Eigentümer im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge Vermögen auf einen Nachfolger und behält sich den Nießbrauch an diesem Vermögen vor. Entsprechend steht beim Nießbrauchsvorbehalt regelmäßig die finanzielle Absicherung des Inhabers im Fokus.
Rz. 46
An einem Einzelunternehmen kann sowohl ein Vollrechtsnießbrauch (auch als "echter Unternehmensnießbrauch" bezeichnet) als auch ein Ertragsnießbrauch bestellt werden. Der Vollrechtsnießbrauch vermittelt unmittelbare Rechte am Unternehmen. Der Ertragsnießbrauch erfasst nur das aus dem Unternehmen erwachsende Vermögensrecht auf den laufenden Gewinn des Unternehmens; Verwaltungsrechte erwachsen dem Nießbraucher daraus nicht. Die Bestellung des Vollrechtsnießbrauchs erfolgt nicht an dem Unternehmen selbst, sondern nur an den einzelnen zum Vermögen des Unternehmens gehörenden Sachen und Rechten unter Wahrung der Formvorschriften (§ 1085 BGB). Bei der Bestellung eines Ertragsnießbrauchs genügt dagegen eine schuldrechtliche Vereinbarung, aus der insbes. ein Anspruch des Nießbrauchers auf Auszahlung des laufenden Gewinns hervorgeht (ggf. nur anteilig bei einem Quotennießbrauch).
Rz. 46a
Bei Vorbehalt eines Vollrechtsnießbrauchs führt der Nießbraucher das Unternehmen weiterhin selbst. Das Handelsregister wird nicht geändert, da sich die Unternehmerstellung nicht verändert. Gleichwohl ist der Nießbraucher in der Unternehmensführung beschränkt, da er das Unternehmen in seinem Bestand zu erhalten hat (§§ 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1, 1041 BGB). Das Anlagevermögen geht beim Vorbehaltsnießbrauch auf den Nachfolger über, während der Nießbraucher Eigentümer des Umlaufvermögens ist. Mit dem Übergang des Anlagevermögens in das Eigentum des Übernehmers vollzieht sich zunächst nur ein erster Schritt der Unternehmensnachfolge, da das Unternehmen weiterhin von dem Übergeber als Nießbraucher ausgeübt wird.
Rz. 46b
Nach aktueller Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung ist die Übertragung eines Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt nach § 6 Abs. 3 EStG nicht zu Buchwerten möglich, da der Übertragende seine gewerbliche Tätigkeit bei einem Vollrechtsnießbrauch nicht vollständig einstellt. Entsprechend kommt es ertragsteuerlich zu einer stpfl. Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG). Auch eine Begünstigung nach den §§ 13a, 13b, 13c und § 28a ErbStG scheidet in diesem Fall aus, da das Erbschaftsteuerrecht insoweit den ertragsteuerlichen Grundsätzen folgt.
Rz. 47
Weitaus verbreiteter als die Übertragung von Einzelunternehmen unter Nießbrauchsvorbehalt ist die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften (OHG, KG) und Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) unter Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten des Übertragenden. Die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Recht erfolgt nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften (§ 1069 BGB).
Rz. 47a
Der Nießbrauch an einer Personengesellschaftsbeteiligung kann formlos erfolgen (§ 398 BGB i. V. m. § 413 BGB). Die Belastung der Beteiligung mit einem Nießbrauch erfordert aber die Zustimmung der Mitgesellschafter oder eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag, da gem. § 1069 Abs. 2 BGB der Nießbrauch nur an einem übertragbaren Recht bestellt werden kann und nach den gem. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB auch für die OHG und KG geltenden Regeln der §§ 711, 711a BGB Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis (auch der Anteil als solcher) nicht zustimmungsfrei übertragen werden können.
Rz. 47b
Da GmbH-Geschäftsanteile und Aktien nach der gesetzlichen Regelung frei übertragbar und belastbar sind, ist eine Nießbrauchsbestellung an ihnen ebenfalls zulässig. Bei GmbH-Geschäftsanteilen ist das notarielle Beurkundungserfordernis zu beachten (§ 15 Abs. 3, 4 GmbHG). Soweit die Satzung eine Vinkulierung vorsieht (§ 15 Abs. 5 GmbHG, § 68 Abs. 2 S. 1 AktG; eine Vinkulierung ist nur bei Namensaktien zulässig, nicht bei Inhaberaktien), bedarf es der in der Satzung vorgesehenen Genehmigung auch für die Nießbrauchsbestellung; anderenfalls ist die Bestellung zustimmungsfrei möglich. Besteht nach der Satzung ein Abtretungsverbot, ist auch die Bestellung eines Nießbrauchs ausgeschlossen.