Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung einer Rückstellung für drohende Schadenersatzansprüche bei nicht zurückgegebenem Leergut
Leitsatz (redaktionell)
1. Rückstellungen für drohenden Schadenersatzansprüche dürfen erst gebildet werden, wenn die den Anspruch begründenden Tatsachen entdeckt und dem Geschädigten bekannt sind oder dies doch unmittelbar bevorsteht.
2. Soweit ein Getränkeliefervertrag eine Schadensersatzpflicht bei nicht rechtzeitiger Rückgabe des Leergutes vorsieht, berechtigt allein der Umstand, dass diese Verpflichtung nicht zeitgerecht erfüllt wird - trotz Übersendung regelmäßiger Saldenlisten über den Leerrückstand - keine Schadenersatzrückstellung wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung in Höhe eines wahrscheinlichen Schwundes an Leergut.
3. Eine Schadenersatzrückstellung wegen Nichterfüllung einer Leergutrückgabeverpflichtung kommt im Rahmen einer laufenden Lieferbeziehung erst in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, z.B. die Beendigung der Geschäftsbeziehung oder eine konkrete zeitlich bestimmte Aufforderung zu Rückgabe des Leergutes, die auf eine Inanspruchnahme auf Schadenersatz schließen lassen.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin eine gewinnmindernde Rückstellung für drohende Schadensersatzansprüche wegen nicht zurückgegebenen Leergutes bilden kann.
Die Klägerin betreibt einen Getränkefachgroßhandel. Sie hat über die mit ihr durch Kooperationsvertrag verbundene Firma X, an der sie neben anderen Getränkehändlern beteiligt ist und über die ein zentraler Wareneinkauf erfolgt, mit verschiedenen Getränkeherstellern Lieferverträge abgeschlossen. Diese Lieferverträge sehen vor, dass die Transportgefäße und Mehrweg-Verpackungen (Leergut) an den Lieferanten zurückzugeben sind. Leergutkontoauszüge des Lieferanten gelten dabei als anerkannt, wenn ihnen nicht binnen einer genannten Frist (i.d.R. 2 oder 3 Wochen) schriftlich widersprochen wird. Des Weiteren enthalten die Lieferverträge in den einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Lieferanten weitgehend identische Regelungen, wonach der Lieferant berechtigt ist, vom Käufer - wenn dieser sich mit der Rückgabe des Leergutes, insbesondere bei Beendigung der Geschäftsverbindung, in Verzuge befindet - die Zahlung des entsprechenden Wiederbeschaffungswertes abzüglich eines Wertabzugs „Neu für Alt” (i.d.R. 20 v.H.) zu verlangen. Die Lieferverträge können i.d.R. binnen 6 Monaten ordentlich gekündigt werden.
Tatsächlich wurden der Klägerin bzw. der Firma X regelmäßig entsprechende Leergutsaldenmitteilungen der Lieferanten zugesandt. Die Salden werden der Klägerin von der X weiter berechnet. Auch der X gegenüber war die Klägerin zur Rückgabe des Leergutes bzw. zum Ersatz fehlenden Leergutes zu den Wiederbeschaffungskosten verpflichtet.
Nach Abschluss einer Betriebsprüfung erließ das beklagte Finanzamt unter Aufhebung des bisher bestehenden Vorbehalts der Nachprüfung am 15.02.2002 einen geänderten Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1999, in dem es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 736.296, DM festsetzte. Ferner erließ des Finanzamt einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid 1999, in dem es den Gewerbesteuermessbetrag auf 32.925, DM festsetzte. Gegen die geänderten Bescheide erhob die Klägerin am 05.03.2002 Einspruch, mit dem sie die Berücksichtigung der in der Bilanz zum 31.12.1999 ausgewiesenen „Pfandrückstellung” in Höhe von 165.000, DM begehrte.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 11.07.2003, zur Post gegeben am 14.07.2003, wies das Finanzamt die Einsprüche zurück. Hiergegen richtet sich die 15.08.2003 erhobene Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, für die drohenden Schadensersatzleistungen aus der Verpflichtung zur Rückgabe des Leergutes könne eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit gemäß § 249 Abs.1 HGB, § 5 Abs.1 EStG gebildet werden, da die Inanspruchnahme der Klägerin wahrscheinlich sei. Die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz für nicht zurückgegebenes Leergut bemesse sich nicht an den Pfandbeträgen, sondern gemäß den Verträgen an den Wiederbeschaffungskosten, zumal Fassleergut nicht bepfandet werde. Im täglichen Geschäft entstünden regelmäßig Leergutschwunde, sei es durch Diebstähle oder durch das Rückgabeverhalten der Verbraucher bzw. eigener Kunden. Da zudem die Lieferverträge unterjährig kündbar seien, sei jederzeit mit einer Inanspruchnahme auf Schadensersatz aus der Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung betreffend des Leergutes zu rechnen. Daher könne die Klägerin in Höhe von 165.000, DM zum Bilanzstichtag 31.12.1999 hierfür eine Rückstellung bilden. Der Wiederbeschaffungswert des sich im Umlauf befindlichen Leergutes betrage zum Bilanzstichtag 1.428.199,84 DM. Hiervon seien die bereits gezahlten Pfandgelder von 599.982,85 DM abzuziehen, so dass ein maximaler Schadensersatz bei Verlust des gesamten noch im Umlauf befindlichen Leergu...