Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung; Weiterbeschäftigung; Beurteilungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
Stützt der Arbeitgeber eine – in zwei Instanzen für unwirksam angesehene – Kündigung bei gleichzeitigem Vorliegen betrieblicher Erfordernisse allein auf verhaltensbedingte Umstände, kann er sich im Rahmen einer wegen dieser betrieblichen Erfordernisse später ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nicht auf die zwischenzeitliche vorgenommene Besetzung von freien Stellen berufen, auf diesen der gekündigte Arbeitnehmer hätte weiterbeschäftigt werden können.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 162 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 09.11.1998; Aktenzeichen 7 Ca 47/97) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 09. November 1998 – 7 Ca 47/97 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 03. Februar 1997 nicht aufgelöst worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, welches Maschinen zur Herstellung von dreidimensionalen Modellen, Prototypen und Musterteilen direkt nach computergesteuertem Design (CAD) vertreibt und wartet. Hergestellt werden diese Maschinen von der amerikanischen. Muttergesellschaft der Beklagten, der 3 S.! in Kalifornien. Die Beklagte gehört zur 3 S. O. in E., die als „3 S. E.” die Beklagte sowie deren Schwestergesellschaften in Frankreich und England umfasst. Der Geschäftsführer der Beklagten leitet in Personalunion die Beklagte und „3 S. E.”. Er ist der Muttergesellschaft direkt unterstellt. Bei der Beklagten besteht kein Betriebsrat.
Der zum Kündigungszeitpunkt 49 Jahre alte, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 1. August 1983 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte übernahm im Jahre 1990 den Betriebsteil, in dem der Kläger arbeitete. Auf den Arbeitsvertrag vom 7. Juli 1983 und das Übernahmeschreiben vom 17. Okt. 1990 wird Bezug genommen (Bl. 4 bis 10 d. A.)
Der Kläger war von 1991 bis Ende 1995 Geschäftsführer der Beklagten. Er wurde im November 1995 durch Gesellschafterbeschluss abberufen und die Abberufung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Nach seiner Abberufung übte der Kläger bei der Beklagten die Position des „Director, Distribution and Business Development” aus. Die Bezüge des Klägers blieben bei der Übernahme dieser Funktion im November 1995 unverändert. Er erhielt weiterhin ein monatliches Gehalt in Höhe von DM 14.792,– brutto, seine jährlichen Gesamtbezüge beliefen sich auf DM 290.630,– brutto. Eingeschlossen ist hierbei u. a. ein maximal erzielbarer Bonus von DM 88.500,– sowie der zu versteuernde geldwerte Vorteil des Firmenwagens (Mercedes S 280, Listenpreis DM 101.628,00). Darüber hinaus wurde dem Kläger – wie in der Vergangenheit – eine Option zum Bezug von Aktien der Muttergesellschaft eingeräumt.
In seiner neuen Funktion war der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten, zugleich Geschäftsführer der „3 S. E.”, direkt unterstellt. Rechtlich war diese Stelle bei der Beklagten angesiedelt. Der Kläger war jedoch geographisch auf der Ebene der „3 S. E.” zuständig für die Regionen Europa. Mittlerer Osten, GUS-Staaten und Indien. Ausgenommen waren die Länder Frankreich und Großbritannien, die von den entsprechenden Schwestergesellschaften betreut wurden, sowie Österreich und die Schweiz, die von Deutschland betreut wurden. In seinem Zuständigkeitsbereich sollte der Kläger ein Netz von Vertriebskanälen für die Produkte der US-amerikanischen Muttergesellschaft auf- und ausbauen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Position wird auf die Stellenbeschreibung Bl. 32 und 34 d. A. Bezug genommen.
Spätestens im Sommer 1996 beschloss die Beklagte im Zuge einer Neuorganisation der Vertriebsstruktur die Stelle des „Director, Distribution and Business Development” abzuschaffen und die bislang in ihr zusammengefassten Funktionen den Vertriebsleiterstellen für die einzelnen Verkaufsregionen zuzuordnen. Die Beklagte teilte den Bereich Europa in die Verkaufsregionen Nord, Zentrum und Süd ein. Diese Verkaufsregionen wurden drei „Regional Sales Directors” unterstellt, deren Zuständigkeiten nicht auf das konkrete Vertriebsgeschäft beschränkt waren, sondern auch die Entwicklung neuer und den Ausbau bestehender Vertriebskanäle in den betreffenden Verkaufsregionen umfasste. Die Verkaufsregion Zentrum wurde der Beklagten zugeordnet. Die Leitung dieser Verkaufsregion wurde Herrn O. E. übertragen, der zuvor bereits bei der Beklagten für den Vertrieb in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig war. Dies wurde mit Memorandum vom 12. Juni 1996 (Bl. 37 d. A.) bekannt gegeben. Hinzu kamen nun die Niederlande sowie die „Geschäftsentwicklungsländer” genannten Staaten Osteuropas. Die Verkaufsregion Süd mit Frankreich, Italien, Spanien und...