Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Dr. Dario Arconada Valbuena
Insbesondere im Rahmen der Beurteilung steuerlicher Tatbestände, die Gegenstand laufender Gerichtsverfahren sind, spielt die Erstellung steuerlicher Gutachten eine wichtige Rolle. Erstellt der Steuerberater für seinen Mandanten ein Gutachten, richtet sich die Vergütung nach § 22 StBVV. Diese Vorschrift gilt allerdings nur für Vorbehaltsaufgaben nach § 33 StBerG, also nur für Gutachten, die im Rahmen der Hilfeleistung in Steuersachen und der Erfüllung weiterer steuerlicher Pflichten des Mandanten benötigt werden.
Zumeist liegt dem Gutachten ein besonders schwieriger, umfangreicher und für den Mandanten bedeutsamer Sachverhalt zugrunde.
Für den Steuerberater kann ein Gutachten, dem eine falsche steuerliche Würdigung zugrunde liegt, schlimmstenfalls zum Haftungsschaden führen. Denn im Gegensatz zur Erteilung von Rat und Auskunft erfordert die Erstellung eines Gutachtens die umfassende schriftliche Darlegung eines konkreten Sachverhalts und die Darstellung der steuerlichen Auswirkungen, sofern der Sachverhalt, wie im Gutachten deklariert, verwirklicht wird. Hierzu muss der Steuerberater sich neben der Literaturrecherche auch mit aktueller Rechtsprechung auseinandersetzen.
Diese Verantwortung und das sich daraus ergebende erhöhte Haftungsrisiko machen es erforderlich, genau zu unterscheiden, wann Rat und Auskunft vorliegen und wann ein Gutachten.
Abrechnungsgrundlagen
Abgerechnet wird die Erstellung eines Gutachtens über § 22 StBVV mit einer Gebühr i. H. v. 10/10 bis 30/10 der vollen Gebühr auf Basis von Tabelle A. Aus § 22 StBVV erliest sich, dass das Gutachten schriftlich erstellt werden muss, versehen mit umfassender und ausführlicher Begründung. Schriftlich, damit es dem Auftraggeber jederzeit möglich ist, das Gutachten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüfen zu lassen.
Zuordnung des Gebührenrahmens im Rahmen der Erstellung von Gutachten:
Einfache und kurze Gutachten |
10/10 |
Gutachten mit gehobenem Schwierigkeitsgrad |
15/10 |
Gutachten mit höherem Schwierigkeitsgrad |
20/10 |
Schwierige oder sehr umfangreiche Gutachten |
30/10 |
(Eckert, StBVV, § 22, Rz. 14)
Höhere Gebühr vereinbarungsgemäß möglich
Reicht der in § 22 StBVV aufgezeigte Gebührenrahmen nicht aus, ist im Einzelfall in Anlehnung an § 4 StBVV die Vereinbarung einer höheren Gebühr möglich.
Hinsichtlich des anzusetzenden Gegenstandswerts muss der "Wert des Interesses" zugrunde gelegt werden. In Anlehnung an das BGH-Urteil v. 29.11.1965 (Az. VII ZR 265/63) muss bei der Ermittlung des Gegenstandswerts der Wert zugrunde gelegt werden, auf den sich das Gutachten bezieht. Wichtiges weiteres Kriterium ist laut BGH das wirtschaftliche Interesse des Auftraggebers am erstellten Gutachten. Zudem sollte klar differenziert werden, inwieweit es sich um ein steuerliches oder ein betriebswirtschaftliches Gutachten handelt, das über § 23 StBVV abgerechnet werden könnte.
Merkmale und wichtige Darstellungsinhalte des Gutachtens:
- Ausführungen zu Auftragserteilung und Auftragsdurchführung
- Darstellung des rechtlichen Sachverhalts und der Problemstellung, die dem Auftrag zugrunde liegt
- Kritische Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Schrifttum
- Abschließende Stellungnahme des Gutachters und Begründung seiner Auffassung
- Darstellung verbleibender Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht
(Eckert, StBVV, § 22, Rz. 5, 6 und 7)
Wissenschaftliche oder juristische Begründung nicht eingefordert
Eine juristische Begründung, eine wissenschaftliche Begründung oder eine eingehende Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Lehre werden bei der Erstellung des Gutachtens über die Anwendungsvorschrift von § 22 StBVV explizit nicht eingefordert.
Gutachten in Abgrenzung zu Rat und Auskunft
Der gebührenrechtlich relevante Tatbestand von Rat und Auskunft unterscheidet sich insbesondere durch folgende Merkmale vom Gutachten:
- Die Intensität der Ausarbeitung liegt deutlich unter der eines Gutachtens
- Die Eindringlichkeit der Begründung liegt deutlich unter der eines Gutachtens
- Rat und Auskunft können auch fernmündlich erteilt werden
- Die Gebührentatbestände für die Abrechnung von Rat und Auskunft finden sich in § 21 StBVV
Keine gleichzeitige Gebühr für Rat (Auskunft) und Gutachten
Die gleichzeitige Gebührenerhebung für eine Ratserteilung (Auskunft) und ein Gutachten in derselben Angelegenheit schließt § 21 Abs. 1 Satz 1 StBVV aus (Eckert, StBVV, § 22, Rz. 10).
Um die steuerlichen Tatbestände des Gutachtens rechtlich und insbesondere steuerrechtlich abzusichern, ist es ratsam, einen Antrag auf verbindliche Auskunft nach § 89 AO zu stellen. Denn oftmals möchte der Mandant nach Abschluss des Gutachtens vom Steuerberater die Gewähr, dass das von ihm erstellte Gutachten bzw. die in diesem Gutachten aufgezeigten Rechtsfolgen exakt so eintreten, und dass das sich daraus ergebende Steuervolumen in genannter Höhe verwirklicht wird. Zwar ist die Einholung einer verbindlichen Auskunft gebührenpflichtig und bietet auch keine abschließende Rechtssicherheit, minimiert jedoch deutlich ...