Dipl.-Betriebsw. Thorsten Hesse, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Mit dem Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz (v. 12.7.2024, BGBl I 2024, S. 234) wurde § 10 RVG geändert. Bislang konnte ein Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern, d. h., § 10 RVG beinhaltete das sog. "Schriftformerfordernis". Die Vorschrift wurde angepasst, sodass die Berechnung der Vergütung der Textform bedarf und kein Schriftformerfordernis mehr verlangt.
Hintergrund: Änderung des § 14 UStG
Hintergrund der Änderung von § 10 RVG ist eine weitreichende Änderung des § 14 UStG durch das Wachstumschancengesetz (v. 27.3.2024, BGBl I 2024, S. 108). Danach wird ab dem 1.1.2025 bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmen grundsätzlich verpflichtend eine elektronische Rechnung ("E-Rechnung") zu verwenden sein (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG n. F.).
Die Legaldefinition einer E-Rechnung wird durch das Wachstumschancengesetz ebenfalls verändert und verlangt zukünftig, dass die Rechnung in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht.
Durch diese Änderung von § 14 UStG hätte eine Rechnung nach § 10 RVG a. F. (Schriftform) nicht mehr im Einklang mit den in Zukunft geltenden Vorschriften des UStG ausgestellt werden können und andererseits hätte eine Rechnung, die den Anforderungen von § 14 UStG n. F. entspricht, Rechtsanwälten mangels Schriftform keinen wirksamen Vergütungsanspruch vermittelt. Um dieses Problem zu lösen, hat der Gesetzgeber § 10 RVG angepasst.
Notwendige Änderung von § 9 StBVV
Das Gegenstück zu § 10 RVG ist für Steuerberater § 9 StBVV. Danach kann ein Steuerberater die Vergütung nur auf Grund einer dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern, welche vom Steuerberater zu unterzeichnen oder vorbehaltlich der Zustimmung des Auftraggebers in Textform zu erstellen ist. Somit setzt § 9 StBVV im Grundsatz, wie § 10 RVG a. F., die Schriftform voraus. Anders als § 10 RVG a. F. kennt § 9 Abs. 1 RVG bereits die Textform. Diese knüpft allerdings and die Zustimmung des Auftraggebers an.
Damit eröffnet sich, wie bei § 10 RVG a. F., ein Spannungsfeld zwischen der wirksamen Vergütungsberechnung des Steuerberaters einerseits und den Anforderungen von § 14 UStG n. F. an eine "E-Rechnung" andererseits. Für eine Rechnungsstellung, die sowohl im Einklang mit § 14 UStG n. F. ist und es dem Steuerberater zeitgleich ermöglicht seine Vergütung wirksam einzufordern, besteht also Änderungsbedarf des § 9 StBVV.
"Textform" und "E-Rechnung" im Widerspruch
Entsprechend plant das BMJ die Abschaffung des Schriftformerfordernisses und des Zustimmungserfordernisses bei der Textform. Nach den Vorstellungen des BMF soll § 9 Abs. 1 StBVV genau so ausgestaltet sein, wie der neue § 10 Abs. 1 RVG.
Die BStBK begrüßt in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMJ v. 11.6.2024 die geplanten Änderungen grundsätzlich, da sich der mit der Erstellung der Rechnung verbundene Aufwand erheblich reduziere. Kritisch angemerkt wird allerdings, dass die Textform nicht den Anforderungen an die elektronische Rechnung gem. § 14 UStG n. F. genüge und umgekehrt eine "E-Rechnung" das Erfordernis der Textform nicht erfülle.
Die BStBK schlägt in ihrer Stellungnahme zur Lösung dieses Widerspruchs vor, den § 9 StBVV entweder so zu ändern, dass die Vergütungsberechnung des Steuerberaters keiner Form bedarf oder dem Steuerberater ein Wahlrecht dahingehend einzuräumen, dass eine Vergütungsberechnung entweder der Textform oder der Form einer E-Rechnung i. S. d. § 14 UStG n. F. bedarf.
Anforderungen an die "Lesbarkeit" der Textform
Gem. § 126b BGB bedingt die Textform, dass eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird.
Eine Erklärung ist nur dann lesbar, wenn sie der Empfänger auf Papier unmittelbar lesen kann oder wenn eine elektronische Erklärung über ein Anzeigenprogramm lesbar ist. Elektronische Daten sind als solche nämlich nicht lesbar, sondern bedürfen für ihre lesbare Darstellung eines entsprechenden Programms. Standardformate, wie etwa "pdf", "txt" oder "doc", genügen regelmäßig der Textform, weil davon ausgegangen werden kann, dass der Empfänger diese lesen kann.
"E-Rechnung" im Lichte der Textform
Bei "E-Rechnungen" ist zwischen hybriden Rechnungsformaten und strukturierten Rechnungsformaten zu unterscheiden.
Bei einem hybriden Rechnungsformat, z. B. ZUGFeRD, wird, stark vereinfacht, ein strukturierter Datensatz versandt, welcher visuell in Form einer PDF-Datei dargestellt wird. Durch die Darstellung in Form einer PDF-Datei wird der Inhalt der Datei lesbar gemacht. Hybride Dateien genügen demnach sowohl der Textform als auch den Anforderungen des § 14 UStG n. F. an eine "E-Rechnung".
Bei strukturierten Datensätzen, z. B. XML, EDIFACT oder iDoc wird lediglich der strukturierte Datensatz versandt, ohne dass dieser visuell in Form einer PDF dargestellt wird. Allerdings können diese Datensätze mittels entsprec...