Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Kauf und Verkauf von Kryptowährungen
Rz. 1857
Bei Erträgen aus Kryptowährungen im Privatvermögen handelt es sich – mangels Fremdwährungscharakter, s. Rz. 1853.2 – nicht um Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 EStG. Sofern die Voraussetzungen des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt sind, liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor. Eine Anschaffung liegt vor, wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden; eine Veräußerung hingegen, wenn sie in Euro oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in eine andere digitale Währung umgetauscht werden. Sofern zwischen An- und Verkauf weniger als ein Jahr liegt, ist der Gewinn steuerpflichtig nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Potentielle Erträge aus dem Handel mit Kryptowährungen fallen daher nicht unter die Abgeltungssteuer nach §§ 32d, 43, 43a EStG, sondern unterliegen dem persönlichen Einkommensteuersatz nach § 32a EStG.
Rz. 1858
Die vormals diskutierte Frage der Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG ist durch die Klarstellung im BMF-Schreiben vom 10.5.2022 obsolet geworden. Für Stpfl. in Verlustsituationen, die sich außerhalb der Jahresfrist bewegen, stellt sich die Frage, ob der der ursprüngliche Entwurf Vertrauensschutz entfaltet.
Rz. 1859
Sofern Coins einer Kryptowährung zu unterschiedlichen Zeitpunkten ge- und wieder verkauft werden, muss festgelegt werden, welche konkreten Coins wieder verkauft wurden, sofern der Verkauf nicht alle vorhandenen Coins umfasst (sog. Verwendungsreihenfolge). In seinem Schreiben vom 10.5.2022 vertritt das BMF klarstellend die Auffassung, dass vorrangig die Einzelbetrachtung heranzuziehen ist. Nur wenn die Einzelbetrachtung nicht möglich ist, ist die sog. Fifo-Methode (First in – first out), die vorsieht, dass "bei Anschaffung und Veräußerung mehrerer gleichartiger Fremdwährungsbeträge [...] zu unterstellen [ist], dass die zuerst angeschafften Beträge zuerst veräußert wurden". Für die Werteermittlung ist sodann die Durchschnittsmethode anzuwenden. Für die Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 3 EStG sind somit die Veräußerungskosten der als erstes angeschafften Wirtschaftsgüter maßgeblich.
b) Tausch gegen andere Kryptowährungen
Rz. 1860
Beim Tausch einer Kryptowährung in eine andere (z.B. Bitcoins gegen IOTA) innerhalb eines Jahres nach Anschaffung handelt es sich ebenfalls um ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, da der Erhalt der Coins der anderen Währung den entgeltlichen Erwerb eines anderen Wirtschaftsguts darstellt. Es handelt sich um einen Anschaffungs- bzw. Veräußerungsvorgang, wie auch das BMF und die OFD NRW bestätigt haben.
c) Spezielle (Anschaffungs-)Vorgänge
Rz. 1861
Zu speziellen (Anschaffungs-)Vorgängen wie
- sog. Forks s. Brinkmann, Brinkmann/Meseck, Heuel/Matthey, Kanders/Thonemann-Micker/Gräfe, Müller/Schmidt, Reiter/Nolte, Richter/Augel und Siegel,,
- der steuerlichen Behandlung von GAS beim Halten von NEO s. Heuel/Matthey und Kanders/Thonemann-Mickers/Gräfe,
- sog. Initial Coin Offerings (ICO) s. Heuel/Matthey, Krüger/Lampert, Niedling/Merkel, Prinz/Luwig und Weitnauer.
- Krypto Airdrops s. Heuel/Matthey und Müller/Schmidt.
d) Abgrenzung zur Gewerblichkeit beim Händler
Rz. 1862
Hinsichtlich der Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Tätigkeit vertritt das BMF in seinem Schreiben vom 10.5.2022 richtigerweise die Auffassung, dass hierzu die Kriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel herangezogen werden können (vgl. H 15.7 (9) (An- und Verkauf von Wertpapieren) EStH 2021).
e) Abgrenzung zur Gewerblichkeit beim Mining
Rz. 1863
Beim Mining ist ebenso wie beim umfangreichen Handel mit Kryptowährungen fraglich, wann die Grenze zur Gewerblichkeit überschritten ist, so dass gewerbliche Einkünfte nach § 15 EStG und allen daraus sich ergebenden Konsequenzen zu bejahen sind.
Rz. 1864
Bei der Tätigkeit als Miner – dem Schürfen von Kryptowährungen – muss zwischen dem privaten, also gelegentlichen Mining ohne Gewinnerzielungsabsicht, und dem gewerblichen Mining differenziert werden. Das BMF führt hierzu in seinem Schreiben vom 10.5.2022 in Rz. 35 aus, dass die Einordnung als gewerbliche Tätigkeit davon abhängt, ob die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 2 EStG vorliegen, sofern die Einkünfte aus der Blockerstellung nicht bereits kraft Rechtsform als solche aus Gewerbebetrieb einzuordnen sind.
Rz. 1865
Zu Entgelten für die Verifizierung von Transaktionen s. Heuel/Matthey.
Rz. 1866
Siehe Heuel/Matthey, Richter/Augel und BMF zum Cloud-Mining und zum Pool-Mining.