Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 68
Prozesshandlungen einer unzuständigen Dienststelle im gerichtlichen Verfahren sind dagegen unwirksam. Hat z.B. die unzuständige Stelle bei Gericht den Erlass eines Strafbefehls oder die Anordnung von Nebenfolgen im selbständigen Verfahren beantragt (vgl. §§ 400, 401 AO), muss der Richter diesen Antrag mangels Sachbefugnis als unzulässig verwerfen, falls der Antrag nicht auf entsprechenden Hinweis zurückgenommen wird. Die sachliche Zuständigkeit der FinB als Antragsbehörde ist als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen. In der Praxis betrifft dies vornehmlich Anträge der Steuer- oder Zollfahndung auf richterliche Untersuchungshandlungen wie Durchsuchungen oder Beschlagnahmen (s. § 385 Rz. 99; § 404 Rz. 284, 286, vgl. Nr. 17 Abs. 3 und 4 AStBV (St) 2023 – s. AStBV Rz. 17) oder Strafbefehlsanträge (s. § 400 Rz. 30), zu denen die Fahndung nicht befugt ist. Dagegen braucht der antragstellende Mitarbeiter der BuStra oder des HZA nicht die Befähigung zum Richteramt zu haben (s. § 400 Rz. 29).
Rz. 69
Erkennt der Richter den Zuständigkeitsmangel der FinB nicht und erlässt antragsgemäß die Entscheidung, so berührt dies die Wirksamkeit seiner Entscheidung nicht (s. auch § 388 Rz. 74), macht sie aber anfechtbar. Die Rüge der sachlichen Unzuständigkeit kann wegen des Erfordernisses einer Beschwer nur solange Erfolg haben, wie die unzuständige FinB mit der Sache befasst ist, also bis zum Erlass eines Strafbefehls durch den Richter oder bis zur Abgabe der Sache an die StA (s. auch § 388 Rz. 78). Denkbar ist dies z.B. im Beschwerdeverfahren, wenn die Durchsuchung oder Beschlagnahme von Beweismitteln von der sachlich unzuständigen FinB durchgeführt wurde (s. § 385 Rz. 372 ff.).
Rz. 70
Allerdings kann ein solcher Zuständigkeitsmangel noch geheilt werden, etwa durch spätere Beschlagnahme durch die (allumfassend zuständige) StA (s. auch Rz. 57). Daher ist es unter Umständen ratsam, diesen Verfahrensverstoß erst im gerichtlichen Hauptverfahren vorzubringen (zur Geltendmachung von Verwertungsverboten s. § 385 Rz. 1063).
Rz. 71
§ 387 AO gilt auch im Bußgeldverfahren (§ 409 AO). Erlässt eine sachlich unzuständige FinB einen Bußgeldbescheid, muss dies mit dem Einspruch (§§ 67 ff. OWiG) geltend gemacht werden (s. § 410 Rz. 79). Der Zuständigkeitsmangel führt nur bei absoluter Unzuständigkeit zur Nichtigkeit des Bescheids (s. § 410 Rz. 79).
Rz. 72
Die Revision kann nicht auf Mängel im Ermittlungsverfahren wie Maßnahmen sachlich unzuständiger Ermittlungsorgane gestützt werden. Die Maßnahmen, die die Finanzbehörde trifft, sind nur vorbereitender Natur und daher nicht selbständig angreifbar. Etwas anderes gilt bei (offenkundiger) Unzuständigkeit, wenn sich daraus Beweisverwertungsverbote ergeben sollten (s. Rz. 65).