Rz. 9

[Autor/Stand] Nach der ausdrücklichen Ermächtigung des § 402 Abs. 1 AO stehen der FinB auch die sich aus § 399 Abs. 2 Satz 2 AO ergebenden Befugnisse zu (s. § 385 Rz. 73 ff., 94 ff.; § 399 Rz. 61 ff.; § 404 Rz. 311 ff.). Danach hat die FinB die Rechte von Ermittlungspersonen der StA (§ 152 GVG) und kann bei Gefahr in Verzug (was aber bei Steuerdelikten i.d.R. ausscheidet, s. § 385 Rz. 233 f. zum Richtervorbehalt) Maßnahmen nach den für Ermittlungspersonen der StA geltenden Vorschriften der StPO anordnen, also insbesondere körperliche Durchsuchungen (§ 81a StPO), Wohnungsdurchsuchungen und Beschlagnahmen und Sicherstellungen von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können oder möglicherweise der Einziehung oder dem Vermögensarrest unterliegen (§§ 94, 98 Abs. 1, §§ 105, 111b, 111e, 111j Abs. 1 Satz 3 StPO), sowie Notveräußerungen (§ 111p Abs. 2 StPO) oder Maßnahmen nach § 132 Abs. 2 StPO vornehmen. Dagegen ist die FinB (BuStra/Steufa) ebenso wie die StA nicht für Herausgabeverlangen gem. § 95 Abs. 1 StPO zuständig (streitig,[2] s. § 385 Rz. 314). Auch die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf bei Gefahr im Verzug nur durch die Staatsanwaltschaft und nicht durch die BuStra bzw. Steufa angeordnet werden (§ 402 Abs. 1 AO, § 100e Abs. 1 Satz 2 StPO; s. auch Nr. 91 Abs. 3 Satz 2 AStBV (St) 2023/2024, s. AStBV Rz. 91).

Ein Recht zur Durchsicht der Papiere (§ 110 Abs. 1 StPO) ohne Zustimmung des Betroffenen hat sie – anders als die Steuerfahndung nach § 404 Satz 2 AO (s. § 404 Rz. 313 ff.; s. Nr. 123 Abs. 3 Nr. 3 AStBV (St) 2023/2024, s. AStBV Rz. 123) und abweichend von den Befugnissen im selbständigen Ermittlungsverfahren (s. § 399 Rz. 61 ff.; § 385 Rz. 232 ff.) – nur auf Anordnung der StA (s. auch Nr. 91 Abs. 3 Satz 3 AStBV (St) 2023/2024; s. AStBV Rz. 91).[3]

Weisungsbefugnisse gegenüber der Steufa stehen der FinB in diesen Verfahren nicht zu.[4]

 

Rz. 10

[Autor/Stand] § 402 AO gibt der FinB – ebenso wie der Steufa – kein Recht, unmittelbar beim AG richterliche Untersuchungshandlungen zu beantragen; hierzu ist nur die StA befugt (vgl. § 162 Abs. 1 StPO).[6] Bei Unerreichbarkeit des StA kann die FinB/BuStra die Unterlagen direkt an das Gericht senden (vgl. § 163 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Richter darf bei Gefahr im Verzug nur ausnahmsweise als "Notstaatsanwalt" tätig werden, es sei denn, er weiß, dass die StA nicht handeln will.[7]

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[2] A.A. Reichling, JR 2011, 12.
[3] Webel in JJR9, § 402 AO Rz. 10; Seipl in Gosch, § 402 AO Rz. 9; Schützeberg in Rolletschke/Kemper/Roth, § 402 AO Rz. 9; a.A. Ebner in Flore/Tsambikakis2, § 402 AO Rz. 9, der dies für ein "Redaktions- bzw. Regelungsversäumnis" des Gesetzgebers hält.
[4] Seipl in Gosch, § 402 AO Rz. 9.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[6] Klaproth in Schwarz/Pahlke/Keß, § 402 AO Rz. 7; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt67, § 165 StPO Rz. 1, 4; § 163 StPO Rz. 26.
[7] OLG Hamm v. 25.8.2008 – 3 Ss 318/08, NJW 2009, 242 (243); Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt67, § 163 StPO Rz. 26.

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