Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Kündigungsschutzklage gegen vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses durch betriebsbedingte Kündigung und Abwicklungsvereinbarung mit formularmäßigem Kündigungsverzicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Abschluss eines wirksamen Abwicklungsvertrages, der die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung regelt, lässt das Rechtsschutzinteresse für eine gleichwohl erhobene Kündigungsschutzklage regelmäßig entfallen, sie ist unzulässig (vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2015 - 2 AZR 347/14 -, Rn. 11).

2. Abwicklungsverträge sind Auflösungsverträge im Sinne von § 623 BGB und bedürfen der Schriftform (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 2007 - 2 AZR 208/06 -, Rn. 25).

3. Ein vor Ablauf von drei Wochen nach Kündigungszugang erklärter formularmäßiger Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist ohne eine ihn angemessen kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2015 - 2 AZR 347/14 -, Rn. 16).

4. Ein angemessener Ausgleich kann bei einem wirksam befristeten Arbeitsverhältnis, das ohnehin anderthalb Monate später als im Abwicklungsvertrag vereinbart geendet hätte, darin liegen, dass der Arbeitnehmer für einen Monat unter Vergütungsfortzahlung freigestellt wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit einem Abwicklungsvertrag vereinbaren die Parteien nach Ausspruch einer Kündigung die Bedingungen, zu denen der Arbeitnehmer ausscheidet. Der Abwicklungsvertrag ist in der Regel gekennzeichnet durch den (vertraglichen) Verzicht des Arbeitnehmers auf Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung.

2. Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden aus einem Dauerarbeitsverhältnis und führt selbst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

3. Die etwas abgeschwächte Formulierung “zur Vermeidung eines Arbeitsgerichtsprozesses„ bedeutet in einem Abwicklungsvertrag unter Berücksichtigung eines objektiven Empfängerhorizonts für beide Parteien erkennbar inhaltlich das gleiche wie die Formulierung “Aufgrund dieser Zusagen verzichtet der Mitarbeiter auf eine Kündigungsschutzklage„.

4. Wird in einem Abwicklungsvertrag die vorausgegangene Kündigung als “betriebsbedingt„ bezeichnet, ist dieser Umstand für den Arbeitnehmer vorteilhaft, da dieser Kündigungsgrund im Gegensatz zu verhaltensbedingten Kündigungsgründen sozialrechtlich geeignet ist, ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zu vermeiden (§ 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 242, 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 310 Abs. 2, §§ 313, 623, 125 Abs. 1, § 126 Abs. 1-2, § 305 Abs. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2, § 611 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 2 S. 1, § 15 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, § 4 S. 1, § 13 Abs. 1 S. 2; SGB III § 159 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 24.06.2016; Aktenzeichen 10 Ca 40/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24. Juni 2016 - 10 Ca 40/16 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die vorzeitige Beendigung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung und Abwicklungsvereinbarungen.

Der am XX.XXX 1962 geborene, verheiratete und gegenüber einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 15. April 2015 als Handwerkskoordinator aufgrund eines bis zum 14. April 2016 befristeten Arbeitsvertrages zu einer monatlichen Vergütung von 2.835,00 € brutto in der Filiale Hamburg-X der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterlag der ordentlichen Kündigung (§ 2 Abs. 1 Befristeter Anstellungsvertrag, Anlage zum Sitzungsprotokoll des Landesarbeitsgerichts vom 01. März 2017 - Bl. 106 d.A.).

Am 12. Januar 2016 unterzeichneten der örtliche Marktleiter der Beklagten und der Kläger folgende Vereinbarung (Anlage K 2 - Bl. 30 d.A.):

"Vereinbarung zwischen ... [den Parteien]

Die Parteien sind sich über folgende Punkte einig:

- Das Arbeitsverhältnis wird zum 29.02.2016 durch Arbeitgeberkündigung aus betriebsbedingten Gründen enden.

- ... [Der Kläger] wird ab dem 01.02.2016 unter Anrechnung von Resturlaub und eventuell angefallener Überstunden freigestellt.

- Der Mitarbeiter erhält für das Jahr 2016 das anteilige Urlaubsgeld (2/12) gemäß Tarifvertrag sowie die anteilige Sonderzuwendung gemäß Tarifvertrag (2/12).

- Der Mitarbeiter erhält ein wohlwollendes Arbeitgeberzeugnis.

- Aufgrund dieser Zusagen verzichtet der Mitarbeiter auf eine Kündigungsschutzklage."

Mit Schreiben vom 19. Januar 2016 (Anlage K 1 - Bl. 4 d.A.), dem Kläger am 20. Januar 2016 übergeben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien "aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 29. Februar 2016, bzw. zum nächstmöglichen Termin".

Ebenfalls am 20. Januar 2016, nachdem der Kläger das Kündigungsschreiben erhalten hatte, unterzeichneten die Parteien au...

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