Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamer Abwicklungsvertrag mit Klageverzicht bei ausreichender Gegenleistung durch bezahlte Freistellung. Darlegungslast zur Vorlage einer Urkunde durch die Prozessgegnerin. Unbegründete Kündigungsschutzklage eines Baumarktverkäufers bei unzureichenden Darlegungen zur Geistesstörung und Täuschung über Umsatzrückgang

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag ist nicht allein deshalb unwirksam, weil die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt und ihm auch das Thema des beabsichtigten Gesprächs vorher nicht mitgeteilt hat.

2. Der Arbeitnehmer hat ausreichende Tatsachen dazu vorzutragen, dass er den Abwicklungsvertrag im Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) unterzeichnet hat; war er nach seinem Vorbringen von der Kündigung "vollkommen geschockt" und unterzeichnete er den Vertrag im "Schockzustand", kann aufgrund dieser allgemein gehaltenen Symptome nicht auf eine Geschäftsunfähigkeit geschlussfolgert werden.

3. Die Erklärung des Geschäftsführers der Arbeitgeberin, dass er wegen eines "erheblichen" Umsatzrückgangs dringend Kosten einsparen muss, ist eine ihrem Inhalt nach unbestimmte, inhaltleere und allgemeine Aussage und enthält keine Täuschung durch die unrichtige Angabe konkreter Umsatzzahlen, die objektiv nachprüfbar und einem Beweis zugänglich sind.

4. Der formularmäßige Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation (etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, die Zahlung einer Entlassungsentschädigung oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche) stellt in der Regel eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

5. Stellt die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Arbeitsverpflichtung unter Fortzahlung der Vergütung frei, erhält der Arbeitnehmer für einen damit verbundenen Klageverzicht eine kompensatorische Gegenleistung, wenn er noch 5 Arbeitstage Resturlaub und 2/12 Urlaubstage sowie 42,75 Überstunden beanspruchen kann und der Freistellungszeitraum sechs Wochen (30 Arbeitstage) umfasst; mit einer solchen substantiellen Gegenleistung ist ein Klageverzichts wirksam.

6. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer Stempelkarten auszuhändigen, damit dieser die Gesamtzahl der geleisteten Überstunden errechnen kann; die Zivilprozessordnung kennt keine über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei.

7. § 142 Abs. 1 ZPO befreit die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast; dementsprechend darf das Gericht eine Urkundenvorlage durch die Prozessgegnerin nach § 422 ZPO nicht zum bloßen Zwecke der Informationsgewinnung sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen und damit auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei anordnen.

 

Normenkette

BGB § 105 Abs. 2, § 123 Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, § 810; ZPO § 422; BGB § 142 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 26.11.2014; Aktenzeichen 5 Ca 139/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 26. November 2014, Az. 5 Ca 139/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit eines Abwicklungs- und Klageverzichtsvertrags.

Der 1966 geborene Kläger war seit 01.09.2012 im Baumarkt der Beklagten als Verkäufer zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt € 2.700,- in Vollzeit beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig 25 Arbeitnehmer. Am 18.01.2014 bat der Geschäftsführer den Kläger in sein Büro und händigte ihm eine schriftliche Kündigungserklärung vom 18.01. zum 28.02.2014 aus. Er begründete die Kündigung damit, dass er dringend Kosten einsparen müsse. Der Geschäftsführer übergab dem Kläger anschließend folgenden vorbereiteten Vertrag, den beide Parteien unterzeichneten:

"Abwicklungsvertrag

zur Vermeidung eines Arbeitsgerichtsprozesses

1. Beendigung

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der fristgerechten betriebsbedingten Kündigung vom 18.01.2014 zum 28.02.2014 enden wird.

2. Gehaltszahlung Der Mitarbeiter erhält bis zu seinem Ausscheiden seine monatlichen Bezüge.

3. Freistellung

Der Mitarbeiter wird ab sofort bis zu seinem Ausscheiden freigestellt. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung von anteiligem Resturlaub und eventuell angefallener Überstunden.

4. Betriebsgeheimnisse

(...)

5. Zeugnis

Der Mitarbeiter wird bis zu seinem Ausscheiden ein qualifiziertes Zeugnis über seine Tätigkeit erhalten. Das Zeugnis wird sich auf Führung und Leistung erstrecken und im Sinne der Rechtsprechung vom Wohlwollen des Arbeitgebers getragen sein.

6. Schlussbestimmungen

Mit der Erfüllung...

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