Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtarbeit. Zuschlag. Zeitzuschlag. Entgeltzuschlag. Nachtarbeitszuschlag. Wahlschuld. Angemessenheit
Leitsatz (amtlich)
1.) Bei der Gewährung bezahlter freier Tage oder eines Entgeltzuschlags für geleistete Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG handelt es sich um eine Wahlschuld im Sinne der §§ 262 ff. BGB.
2.) Sofern sich im Einzelfall nichts anderes ergibt, sind bei der Bemessung des entgeltlichen Nachtarbeitszuschlags nach § 6 Abs. 5 ArbZG die Tarifsätze des jeweiligen Branchentarifvertrages zugrunde zu legen.
3.) Es hält sich in jedem Fall im Rahmen einer angemessenen Zahl zu gewährender bezahlter freier Tage, wenn für jeweils 90 geleistete Nachtarbeitsstunden ein bezahlter freier Tag verlangt wird.
Normenkette
ArbZG § 6 Abs. 5; BGB §§ 262 ff.
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 27.01.2000; Aktenzeichen 1 Ca 1421/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 27.01.2000 – 1 Ca 1421/99 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, nach ihrer Wahl dem Kläger 51 bezahlte freie Arbeitstage zu gewähren oder an den Kläger 42.435,00 DM brutto nebst 41 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 09. 11.1999 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Gewährung gesetzlicher Nachtarbeitszuschläge.
Der am 06.12.1960 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1995 als Maschinenbediener bei der Beklagten, einem Betrieb der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie, beschäftigt. Nach der Anlage zu den schriftlichen Arbeitsverträgen vom 04.09.1995 (Bl. 88 ff. d.A.) und 01.03.1997 (Bl. 10 ff. d.A.) ist er für die Inbetriebnahme, Bedienung und Wartung von Tetra-Abfüllmaschinen, der dazu gehörenden Packautomaten, der Erhitzungsanlagen sowie des angeschlossenen Palettierers verantwortlich. Er arbeitet ausschließlich in der Nachtschicht, und zwar von Montag bis Donnerstag jeweils in der Zeit von 22.30 Uhr bis 6.00 Uhr und freitags von 22.30 Uhr bis 8.30 Uhr. Bei einer täglichen Pause von 45 Minuten kommt er so auf 36,25 Stunden pro Woche, während in allen anderen Schichten 37,5 Wochenstunden gearbeitet wird. Der Kläger erhält dafür gemäß § 3 des Arbeitsvertrages vom 01.03.1997 eine Bruttostundenvergütung in Höhe von 18,40 DM. Nach § 1 Satz 4 des Vertrages finden mangels Tarifgebundenheit der Beklagten keine Tarifverträge Anwendung.
Erstmals mit Schreiben vom 04.10.1999 (Bl. 4 d.A.) hat der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 50 % seines Stundenlohnes für die Zeit ab 01.01.1997 geltend gemacht.
Nach einer im Laufe des Rechtsstreits teilweise korrigierten Berechnung verlangt der Kläger nunmehr für insgesamt 738 Tage im Zeitraum ab 01.01.1997 bis zum 31.10.1999 bei täglich 6,25 Stunden Nachtarbeit und einem Zuschlag von 50 % in erster Linie die Zahlung von 42.435,00 DM brutto.
Er hat die Auffassung vertreten, dass bei der Bestimmung der Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags im Rahmen des § 6 Abs. 5 ArbZG mangels Einigung mit der Beklagten auf die entsprechende Branchenregelung im Manteltarifvertrag für die obst- und gemüseverarbeitende Industrie (im Folgenden kurz: MTV) zurückzugreifen sei; in dessen § 5 Ziffer 2 b) hätten die Tarifvertragsparteien für Nachtarbeit einen 50%igen Zuschlag festgelegt. Der nach der gesetzlichen Vorschrift auch mögliche Freizeitausgleich scheide hier aus, da dieser nur bei zeitnaher Gewährung den erstrebten Erholungseffekt habe.
Der Kläger, dessen Klage der Beklagten am 09. 11.1999 zugestellt wurde, hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.435,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, mit der Zahlung einer Stundenvergütung in Höhe von 18,40 DM habe man zumindest konkludent Zuschläge für Nachtarbeit abbedungen. Im übrigen sei der Vortrag des Klägers unsubstanziiert, weil er bei den insgesamt 738 Tagen nicht unterscheide zwischen Werk-, Sonn- und Feiertagen sowie Urlaubs- und Krankheitszeiten. In jedem Fall seien die geltend gemachten 50 % Nachtarbeitszuschlag unangemessen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.01.2000 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger mangels Tarifbindung von der Beklagten gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG einen „angemessenen” Zuschlag für die von ihm verrichtete Nachtarbeit verlangen könne. Die Angemessenheit ergebe sich hier aus § 5 MTV; die darin festgelegten 50 % habe die Beklagte als gesetzlichen Nachtarbeitszuschlag zu zahlen.
In dem Zusammenhang könne von den kalendermäßig sich ergebenden insgesamt 738 Tagen ausgegangen werden, weil die Beklagte nicht im einzelnen die Arbeitstage angegeben habe, f...