Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlangen nach geringwertiger Reduzierung der Arbeitszeit. Rechtsmissbräuchliches Verlangen der Reduzierung der Arbeitszeit. Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungfrist ist Wiedereinsetzung zu gewähren, da die Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei eigenmächtig die Frist gestrichen hat, obwohl sie selbst immer zuverlässig ist.

2. Das Verlangen nach Reduzierung der Arbeitszeit im Umfang von gerade 1,2 % ist rechtsmissbräuchlich, da es offenbar andere Zwecke verfolgt.

 

Normenkette

TzBfG § 8; BGB § 242; ZPO § 91 Abs. 1, § 233 S. 1, § 234 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 15.10.2019; Aktenzeichen 16 Ca 2609/19)

 

Tenor

Unter Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrags vom 16.06.2020 wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.10.2019 - 16 Ca2609/19 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verkürzung der Arbeitszeit und die Festlegung der Arbeitszeiten.

Die am .1981 geborene Klägerin, Mutter einer am .2014 geborenen Tochter, ist seit dem 06.03.2009 bei der Beklagten, die ein Textilhandelsunternehmen betreibt, als Verkaufshilfe tätig. Die Einstellung erfolgte gemäß Arbeitsvertrag vom 27.02.2009 mit einer Arbeitszeit von 130 Stunden im Monat in der Filiale A Straße (Filiale 4). Für das Arbeitsverhältnis gelten die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel in ihrer jeweils gültigen Fassung, soweit im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist, Ziffer 2. des Anstellungsvertrages. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 147 f. d. A. verwiesen. Mit Vereinbarung vom 03.01.2017 vereinbarten die Parteien ab dem 01.02.2017 befristet bis zum 06.07.2017 eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 86 Stunden die Woche bei fünf Arbeitstagen die Woche in der Zeit von montags bis samstags (Bl. 11 d. A.). Mit Vertragsänderung vom 19.06.2017 (Bl. 12 d. A.) haben die Parteien die Arbeitszeitänderung entfristet.

Die Klägerin ist Mitglied des Betriebsrates und verrichtet regelmäßig dienstags und freitags ihre Betriebsratsarbeit.

Mit Schreiben vom 05.03.2019 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Reduzierung der Arbeitszeit von 86 auf 85 Stunden im Monat, montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr, samstags frei, ab dem 01.07.2019. Zur Begründung führte sie die Gewährleistung der Betreuung ihres Kindes an, die Tochter werde in der Kindertagesstätte von 07:30 Uhr bis 14:30 Uhr betreut. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 05.03.2019 wird auf Bl. 17 d. A. verwiesen. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 07.03.2019, dass sie dem Begehren nicht zustimmen könne, denn die Verteilung der Arbeitszeit liege außerhalb der betrieblichen Organisation der Arbeitszeit. Die Sicherung des Personalbedarfs werde gefährdet und andere Mitarbeiter benachteiligt. Als Kompromiss schlug die Beklagte zwar eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 65 Stunden im Monat, mithin 15 Stunden in der Woche, vor, aber von montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr sowie an einem Samstag im Monat mit flexiblem Einsatz.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 15.10.2019 (Bl. 88 ff. d. A.) die Beklagte verurteilt, der Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin von 86 Stunden auf 85 Stunden im Monat bei einer Arbeitszeiteinteilung montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr und frei von Samstagsarbeit mit Wirkung ab dem 01.07.2019 zuzustimmen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht hinreichend vorgetragen, dass betriebliche Gründe dem Änderungsverlangen der Klägerin entgegenstehen. Das Teilzeitbegehren der Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, denn die Klägerin verfolge mit dem Reduzierungsverlangen den Zweck Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 06.04.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.04.2020 Berufung eingelegt und diese am 02.06.2020 begründet. Nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 05.06.2020, dass die Berufung nicht rechtzeitig begründet worden sei, hat die Beklagte am 16.06.2020 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Unter dem 04.03.2020/09.06.2020 haben die Beklagte und der Betriebsrat der Filiale 4 eine "Freiwillige Betriebsvereinbarung zum Thema Vereinbarkeit von Familie & Beruf" geschlossen. Hiernach können u. a. die zeitlichen Verfügbarkeiten im Einvernehmen des Arbeitnehmers und des Filialdirektors unter Einbeziehung der HR-Abteilung für die Dauer von maximal zwei Jahren befristet bei Vorliegen von dringenden persönlichen Gründen festgelegt werden. Wegen ...

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