Leitsatz (amtlich)
Verursacht ein Arbeitnehmer bei der gemeinsamen Heimfahrt von einer auswärtigen Arbeitsstelle einen Unfall, bei dem ein Arbeitskollege verletzt wird, so stellt dies eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 105 Abs. 1 SGB VII dar, wenn die Beförderung der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers im betriebseigenen Fahrzeug, das auch dem Transport von Arbeitsmitteln diente, erfolgte und die Fahrzeit vom Arbeitgeber wie Arbeitszeit bezahlt wurde, mithin die Fahrt Teil der betrieblichen Organisation war. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer seinem Arbeitskollegen nicht gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB VII zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet. Die Entsperrung der Haftungsbeschränkung gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB VII greift bei einem Unfall auf einem solchen Betriebsweg auch dann nicht ein, wenn der Versicherte mit Duldung des Arbeitgebers durch einen Betriebsangehörigen in dem betriebseigenen Fahrzeug nach Hause gefahren werden sollte.
Normenkette
SGB VII § 105 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stade (Entscheidung vom 17.01.2001; Aktenzeichen 2 Ca 1021/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 17.01.2001 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 24.08.2000 beim Landgericht eingegangen Klage vom 21.08.2000, die auf Antrag des Klägers – nach richterlichem Hinweis – an das Arbeitsgericht abgegeben wurde, macht der Kläger gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom 05. Dezember 1999 geltend.
Der Beklagte zu 1) war der Fahrer des Unfallfahrzeugs, eines Klein-LKW der Firma … T., bei der der Kläger und der Beklagte zu 1) zum Unfallzeitpunkt beschäftigt waren, die Beklagte zu 2) ist die Haftpflichtversicherung des Halters des Fahrzeuges.
In der Nacht vom 04. auf den 05. Dezember 1999 befanden sich der Kläger und der Beklagte zu 1) sowie ein weiterer Mitfahrer, Herr … S. (ein Arbeitnehmer der Firma K.) auf der Heimfahrt von einem Arbeitseinsatz in N., wo sie Bodenverlegungsarbeiten in einem Supermarkt nach Geschäftsschluss ausgeführt hatten. Der Beklagte zu 1) hatte für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr für seinen Arbeitgeber Bodenverlegungsarbeiten in Supermärkten ausgeführt. Die Arbeiten wurden jeweils nachts ausgeführt, damit der Supermarkt in seinen Öffnungszeiten nicht beeinträchtigt wurde. Der Kläger oder der Beklagte zu 1), die als einzige Arbeitnehmer der Firma T. einen Führerschein hatten, fuhren jeweils das Fahrzeug des Arbeitgebers zur Baustelle und transportierten Material und gegebenenfalls weitere Arbeitnehmer. Auch am Vorabend des Unfalltages fuhren der Kläger und der Beklagte zu 1) den mit Material beladenen Transporter nach N. Die Fahrzeit gehörte zur Arbeitszeit und wurde einschließlich der Rückfahrzeit dementsprechend vom Arbeitgeber bezahlt. Am Unfalltag war – wie üblich – geplant, dass entweder der Kläger den Beklagten zu 1) oder dieser den Kläger nach Hause fahren und anschliessend das Fahrzeug bei sich zu Hause abstellen sollte. Wer jeweils das Firmenfahrzeug mit nach Hause nahm, hing von dem Arbeitseinsatz am nächsten Tag ab. Gegen 02:30 Uhr am Morgen des 05. Dezember 1999 kam sodann auf der Rückfahrt das Fahrzeug auf der B 73 zwischen W. und C. in Höhe des Grundstücks M. in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab, stieß gegen zwei gemauerte Pfeiler, überschlug sich und kam auf den Dach liegend zum Stillstand. Bei dem Unfall kam der Mitfahrer S. ums Leben, der Kläger wurde verletzt. Am Unfallort hatte sich Glätte durch überfrierende Nässe gebildet. Kurz vor dem Unfallort hatte der Beklagte zu 1) einen PKW überholt. Der Fahrer dieses PKW, … G., erklärte, er sei zum Zeitpunkt des Überholens mit ca. 70 bis 80 Stundenkilometer gefahren. Gegenüber der ermittelnden Staatsanwaltschaft erklärte der Fahrer G. später, ihm sei nicht aufgefallen, dass die Nässe der Fahrbahn teilweise überfroren war bzw. begonnen hatte, zu überfrieren. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit an der Unfallstelle betrug 100 km. Streitig ist zwischen den Parteien, welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit für das Unfallfahrzeug (LKW D. – … –)war.
Der Unfall wurde von der zuständigen Bauberufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt (Bl. 215 der Gerichtsakte sowie Bl. 212 der Gerichtsakte).
Das Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten zu 1) wegen fahrlässiger Körperverletzung endete mit einem Strafbefehl (Bl. 271 ff. der Ermittlungsakte der StA zum Az. 111 Js 24596/99 a).
Das Arbeitsgericht hat – soweit zweitinstanzlich noch von Interesse – die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage mit Urteil vom 17.01.2001 abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und den Streitwert auf 50.700,– DM festgesetzt. Wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht zu seiner Entscheidung geführt haben, wird...