Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan. Gleichbehandlungsgrundsatz. Herausnahme von Erziehungsurlaub aus Zeiten der Betriebszugehörigkeit
Leitsatz (amtlich)
Stellt ein Sozialplan für die Bemessung der Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes fast ausschließlich auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ab, so zählen hierzu auch Zeiten des Erziehungsurlaubs. Der Ausschluss derartiger Zeiten stellt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG dar.
Normenkette
BetrVG §§ 75, 112
Verfahrensgang
ArbG Lingen (Urteil vom 13.09.2001; Aktenzeichen 1 Ca 171/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 13.09.2001, Az. 1 Ca 171/01, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, neben der mit Schreiben vom 21.12.2000 zugesagten Sozialplanabfindung einen darüber hinausgehenden Betrag in Höhe von 1.125,78 EUR (= 2.201,83 DM) zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zahlung eines weiteren Abfindungsbetrages aus einem im Betrieb der Beklagten geschlossenen Sozialplan.
Die am … geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.08.1983 als Laborantin mit einer täglichen Arbeitszeit von 4,25 Stunden beschäftigt. Aufgrund der Betriebsschließung der Beklagten wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 21.12.2000 zum 30.06.2001 gekündigt.
Im Betrieb der Beklagten wurde zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten ein Interessenausgleich und Sozialplan unter dem Datum des 13.12.2000 geschlossen.
Gemäß V. des Sozialplanes erhalten alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Ausnahme derjenigen, die mindestens 57 Jahre und 4 Monate alt sind eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, der pro Jahr der Betriebszugehörigkeit einen Betrag von 1.900,00 DM ausmacht, der in drei Raten gezahlt werden sollte. Gemäß IV. des Sozialplanes wurde der Abfindungsbetrag für den Verlust eines Teilzeitarbeitsplanes im Verhältnis der Vollzeitarbeitszeit zur Teilzeitarbeitszeit herabgesetzt. In III. des Sozialplanes ist Folgendes vereinbart:
MitarbeiterInnen, die aufgrund des Bundeserziehungsgeldgesetzes im Erziehungsurlaub waren oder sind, erhalten eine Abfindung für die Zeiträume der aktiven Beschäftigung. Sie erhalten keine sonstige Abfindung.
Wegen des Inhalts des Sozialplanes im übrigen wird auf diesen (Bl. 60 bis 63 d. A.) verwiesen.
Die Klägerin war während des Laufes der Beschäftigung im Erziehungsurlaub. Unter Berücksichtigung dieser Zeiten wurde bei der Sozialplanabfindung gemäß III. des Sozialplanes ein Betrag in Höhe von 2.201,83 DM abgesetzt. Diesen Betrag verlangt die Klägerin mit der Begründung, Ziffer III. des Sozialplanes stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG dar und beinhalte eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin. Von dieser Regelung seien ausschließlich Frauen betroffen, so dass diese von dieser Regelung benachteiligt würden.
Die im Rahmen des Sozialplans vereinbarten Abfindungen sollten nicht eine Entschädigung für den Verlust des Besitzstandes oder eine Vergütung für in der Vergangenheit für den Betrieb geleistete Dienste sein, vielmehr beinhalte die Abfindung den Ausgleich künftiger Nachteile, die die Klägerin aufgrund der geplanten Betriebsänderung erleide. Der Normzweck des § 112 BetrVG werde nicht genügend beachtet, wenn bei der Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen Erziehungsurlaubs herausgenommen würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin neben der mit Schreiben vom 21.12.2000 zugesagten Sozialplanabfindung entsprechend ihrer Anzahlungsvereinbarung im Sozialplan am 30.06.2000 einen darüber hinausgehenden Betrag in Höhe von 927,19 DM, am 30.09.2001 einen weiteren darüber hinausgehenden Teilbetrag in Höhe von 463,48 DM und am 31.03.2000 einen darüber hinausgehenden Teilbetrag in Höhe von 811,16 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es sei nicht zu beanstanden, wenn in diesem Sozialplan Zeiten nicht berücksichtigt würden, in denen die Arbeitnehmerin nicht zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beigetragen habe. Die Betriebsparteien hätten insoweit einen weiten Ermessensspielraum. Die Überbrückungsbeihilfe und der Ausgleich und die Milderung zukünftig zu erwartender Nachteile könne sich auch aus der Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb ergeben. Es sei nicht unbillig, hierbei Zeiten, in denen die Arbeitnehmerin dem Betrieb tatsächlich nicht angehört hat, bei der Berechnung auszuschließen.
Durch Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Lingen/Ems wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und der Streitwert auf 2.201,83 DM festgesetzt. Wegen des Inhalts des Schluss-Urteils des Arbeitsgerichts Lingen/Ems vom 13.09.2001 wird auf dieses (Bl. 67 bis 74 d. A.) verwiesen.
Dieses Schlu...