Rn. 302
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
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Echte Betriebsaufspaltung (auch als Betriebsteilung, Doppelunternehmen bezeichnet): Ein bereits bestehender und seiner Zielsetzung nach wirtschaftlich einheitlicher Betrieb wird willentlich nach Funktionen und Vermögensbestandteilen in zwei (oder mehrere) rechtlich selbstständige Einheiten zerlegt. |
Das Besitzunternehmen ist idR ein Einzelunternehmen (zB s BFH BStBl II 1981, 379; 1973, 27) oder eine Besitz-PersGes, das Betriebsunternehmen ist idR eine kraft Rechtsform (§ 8 Abs 2 KStG) gewerbliche GmbH oder auch eine AG – s BFH v 23.03.2011, BStBl II 2011, 778 – bzw sogar eine eingetragene Genossenschaft – s BFH v 08.09.2011, BStBl II 2012, 136 – (dann zugleich sog Betriebsaufspaltung ieS), oft zunächst bar gegründet: dazu s als Gestaltungsempfehlung BFH v 12.12.2007, BStBl II 2008, 579.
Wegen BMF v 27.03.1998, DStR 1998, 766 betreffend Gewinnrealisierung bei Übernahme von Verbindlichkeiten und zeitlich nachfolgend § 6 Abs 6 EStG idF StEntlG 1999/2000/2002 ist die klassische erfolgsneutrale Begründung einer echten Betriebsaufspaltung nicht mehr möglich: im Einzelnen s Rn 376.
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Unechte Betriebsaufspaltung (Kunstfigur, erstmals wohl BFH BStBl III 1960, 50) wird im Gegensatz zur echten Abspaltung dem Betriebsunternehmen von Anfang an nur AV zur Nutzung zur Verfügung gestellt, zB werden von den Anteilseignern Anlagegüter – evtl nach vorherigem Erwerb von Dritten – an eine Betriebs-GmbH (oder mehrere KapGes: BFH BStBl II 1983, 299) verpachtet, ohne dass es zuvor ein das verpachtete AV umfassendes, aufzuspaltendes Unternehmen gegeben hätte. |
Echte und unechte Betriebsaufspaltung werden aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung steuerlich gleichbehandelt (ausführlich BFH v 17.04.2002, X R 8/00, BStBl II 2002, 527; BFH BStBl II 1994, 466; 1992, 34; 1991, 773; BFH/NV 1986, 360; BStBl II 1986, 299; 1984, 474; 1982, 60; 1979, 366; 1973, 869; 1972, 63; 1970, 17; BStBl III 1967, 387; 1962, 104; 1960, 50; aA Groh, DB 1989, 748, 752). Zur Kritik s Rn 304.
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Hält eine PersGes alle Anteile an der Betriebs-KapGes im eigenen BV, so spricht man von der Einheits-Betriebsaufspaltung (beste Absicherung gegen ein ungewolltes Ende der Betriebsaufspaltung mit Auflösung stiller Reserven: s Rn 400 zu (3) und s Rn 420). |
(4) |
Gliedert eine KapGes ihren Betrieb auf eine von ihren Gesellschaftern gegründete PersGes aus, spricht man von umgekehrter Betriebsaufspaltung: s Fall BFH v 12.01.1977, BStBl II 1977, 357 mit GmbH zusätzlich als Organgesellschaft der PersGes bei Personalunion in der Geschäftsführung; Kessler/Teufel, DStR 2001, 869 betreffend die besondere Problematik des Sonder-BV bei der KapGes (auch s Dressler, DStR 2013, 1818). |
(5) |
Nach dem künftigen Schicksal des Besitzunternehmens unterscheidet man nach |
(a) |
"Betriebserhaltungsmodell": der gesamte Betrieb – ggf mit Substanzerhaltungsverpflichtung, s Rn 381 – wird verpachtet: Betriebspacht, s Rn 141ff. |
(b) |
"Schrumpfungsmodell": anfängliche Verpachtung des Gesamtbetriebs, anschließend allmähliche Schrumpfung auf bloße Grundbesitzverpachtung durch Übertragung der Vornahme von Ersatz-, Neu- und Erweiterungsinvestitionen auf die Betriebsgesellschaft. Bietet sich an zur steuerneutralen Neubegründung einer Betriebsaufspaltung nach der Einfügung von § 6 Abs 6 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002, auch s Rn 376 und Hörger/Mentel/Schulz, DB 1999, 565, 573 sowie Hörger/Pauli, GmbHR 2001, 1139 und s Rn 377 wegen der inzwischen entschärften Geschäftswertproblematik. |
(c) |
"Steuerberatermodell": Verpachtung ausschließlich von Grund und Boden und Firmenwert. Gefahr, dass der Firmenwert bei diesem Modell den Geschäftswert bildenden Faktoren zur Betriebsgesellschaft folgt (s Rn 377 und 426). |
(6) |
Wiesbadener Modell: Zur Vermeidung einer Betriebsaufspaltung besitzt dabei ein Ehegatte das Besitzunternehmen bzw alle Anteile am Besitzunternehmen und der andere Ehegatte alle Anteile an der Betriebsgesellschaft. Wegen der fehlenden personellen Verflechtung keine Betriebsaufspaltung: s Rn 326. Das Besitzunternehmen erzielt somit regelmäßig nur Einkünfte aus VuV. Der wesentliche Vorteil ist, verpachteter Grundbesitz/verpachtete wesentliche immaterielle WG dem PV zuzuordnen sind, was zur Folge hat, dass außerhalb des § 23 EStG Wertsteigerungen ertragsteuerlich nicht erfasst werden. |
Die inhaltliche Ausgestaltung des Wiesbadener Modells hat nicht nur steuerlich Bedeutung. Wie zwei Entscheidungen des BGH (BGH v 21.02.2014, V ZR 176/12, NJW 2014, 2177 und BGH v 30.01.2015, V ZR 171/13, NJW 2015, 1668) zeigen, muss bei der Gestaltung auch auf einen sachgerechten zivilrechtlichen Ausgleich der Interessen beider Ehepartner geachtet werden, sonst kann an die Stelle des Zugriffs des FA der Zugriff des geschiedenen Ehegatten treten: s Kesseler, DStR 2015, 1189.
Eine Betriebsaufspaltung droht bei Tod eines Ehepartners, wenn der überlebende Ehepartner Alleinerbe ist. Dieser Gefahr kann durch Erbfolgeregelungen begegnet werden, die eine Vereinigung der Besitz- und Betriebsunter...