Rn. 32c
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Nach Rspr u FinVerw ist beim Vorbehaltsnießbrauch für die Steuerverschonung gemäß § 13a Abs 1 ErbStG iVm § 13b Abs 1 Nr 2 ErbStG (s R 13b.5 Abs 3 S 2 ErbStR 2019 iVm der Neudefinition der begünstigungsfähigen Mitunternehmeranteile in der Vorschrift gemäß zwei Gesetzen v 25.06.2021, BGBl I 2021, 2050 und 2056) ausschlaggebend, ob bei der schenkweisen Übertragung des nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils auch dem beschenkten Erwerber neben dem Vorbehaltsnießbraucher im ertragsteuerlichen Sinn eine Mitunternehmerstellung vermittelt wird (s Wachter, DB 2020, 634; Bossmann, DStR 2021, 2217; speziell zur Problematik der doppelten Mitunternehmerschaft s Rn 32a; BFH v 06.11.2019, BStBl II 2020, 465; BFH v 06.05.2015, BStBl II 2015, 821 sowie s BFH v 16.05.2013, BStBl II 2013, 635 mwN; BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 7; koordinierter Ländererlass v 02.11.2012, BStBl I 2012, 1101) oder die konkreten Rechte des Nießbrauchberechtigten der erbschaftsteuerlichen Verschonung entgegenstehen, weil entscheidungstechnisch, wie es Wachter, DStR 2013, 1929, 1931 treffend ausdrückt, "alles beim (A)lten" bleiben soll. Erbschaftsteuerlich ist der Begriff der "Gesellschaft" nämlich ertragsteuerlich zu interpretieren: BFH v 01.09.2011, BStBl II 2013, 210 Rz 19. Es ist damit hinsichtlich ein und derselben Gesellschaftsbeteiligung eine Verdopplung der Mitunternehmerschaft anzustreben: zu Risiken s Rn 32a.
Für typische Fallgestaltungen – s Rn 31b zu (2) – nach dem Leitbild des BGB hat der BFH BStBl II 1995, 241/244 ff eine Klärung in der Weise erbracht, dass bei ausreichender Mitunternehmerinitiative und ausreichendem Mitunternehmerrisiko beider Vertragspartner Nießbraucher und Nießbrauchbesteller idR beide als Mitunternehmer anzusehen sind: s Rn 32a und s BFH v 06.11.2019, BFH/NV 2020, 433.
Der Nießbrauchbesteller als zivilrechtlicher Gesellschafter wird (bei Vorbehaltsnießbrauch) bzw bleibt (bei Zuwendungsnießbrauch) neben dem Nießbraucher Mitunternehmer.
- wegen des (fort-)bestehenden Mitunternehmerrisikos in Form der Beteiligung am Geschäftswert, am Auseinandersetzungsguthaben, der potenziellen Wertminderung der Beteiligung durch Werteinbußen am AV, am Verlust (s Rn 33c) und wegen der Haftung für Verbindlichkeiten der PersGes im Außenverhältnis (vgl dazu Petzoldt, DStR 1992, 1171, 1176): s BFH v 01.03.1994, BStBl II 1995, 241; BFH v 16.05.1995, BStBl II 1995, 714 Leitsatz Nr 2.
- wegen der insoweit gegebenen Mitunternehmerinitiative (auch s Rn 23e zu (1) und s Rn 32), wenn er sich vertraglich (s Rn 31d) den Kernbereich grundlegender Entscheidungen (die gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte, s BFH v 06.05.2015, BStBl II 2015, 821 Rz 23 und BFH v 23.02.2010, BStBl II 2010, 555 Rz 16) und auch das Widerspruchsrecht gemäß § 164 HGB sowie die Kontrollrechte gemäß § 166 HGB vorbehält (BFH BStBl II 1995, 241/245; FG Köln EFG 1984, 462 rkr; glA schon Biergans, DStR 1985, 327, 331).
Erhält oder behält (insb beim Vorbehaltsnießbrauch) der Nießbrauchsberechtigte kraft Stimmrechtsvollmacht oder vertraglicher Vereinbarung (s Rn 31d und s Rn 32) jedoch Gesellschafter-, Widerspruchs- (§ 164 HGB) und Kontrollrechte (§ 166 HGB) vor und kann er auch ao Geschäfte ohne Mitwirkung des Nießbrauchbestellers wirksam tätigen bzw dazu Beschlüsse fassen, so liegt beim Nießbrauchbesteller (Erwerber der Anteile) keine Mitunternehmerschaft (mehr) vor: so zu Recht BFH v 06.05.2015, aaO; BFH v 10.12.2008, BStBl II 2009, 312; ebenso BFH v 16.05.2013, BStBl II 2013, 635; FG BdW v 17.05.2006, EFG 2006, 672 rkr (trotz zugelassener Rev); FG Nds EFG 2005, 639 rkr. Wegen BFH v 06.11.2019, BFH/NV 2020, 433 (lebenslange widerrufliche Stimmrechtsvollmacht für den Nießbrauchberechtigten) s Rn 32b.