Rn. 328
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Vorschrift des § 18 Abs 1 Nr 3 EStG enthält keine Definition des Begriffs der Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit. Sie benennt nur beispielhaft die Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltungen und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Auch die Entstehungsgeschichte und der (nicht erkennbare) Zweck der Vorschrift erlauben keinen sicheren Schluss auf die Bedeutung der Regelung (vgl ausführlich dazu BFH BStBl II 1978, 137; 1978, 138 mwN). Das gilt umso mehr, als die Fassung der Nr 3 sprachlich offener ist als die Nr 1 (BFH BStBl II 1973, 730).
Daher kann sich die Auslegung nur an dem im Wortlaut durch die Aufzählung von Beispielsfällen zum Ausdruck gelangten gesetzgeberischen Willen ausrichten. Daraus ergibt sich, dass es für die Einordnung einer nicht genannten Tätigkeit unter die Vorschrift wesentlich auf ihre Ähnlichkeit mit den Beispielsfällen ankommt (BFH BStBl III 1951, 97; BStBl II 1973, 730; 1978, 137; 1988, 266; 1989, 729; 1989, 965; 2002, 338; 2004, 112; 2005, 288; 2005, 611; 2018, 571; 2019, 528; 2019, 532; BFH/NV 1990, 138; 1997, 751; 2017, 680). Hierbei ist Ähnlichkeit im Sinne einer Gruppenähnlichkeit zu verstehen (BFH BStBl II 2005, 288; 2010, 906; 2010, 909). Sie ist danach bei der Betreuung fremder Vermögensinteressen, insb verwaltenden Tätigkeiten, anzunehmen (BFH BStBl II 2002, 338 verneinend für Stundenbuchhalter; BFH BFH/NV 1999, 1456 bejahend für Hausverwaltung; BFH BStBl II 1984, 823 und BFH BStBl II 1989, 719, jeweils zur Bedeutung des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis). Noch nach BFH BStBl II 2004, 112 (verneinend für Berater von KapGes) war Vermögensverwaltung sogar erforderlich. Eine rein beratende Tätigkeit wird daher von § 18 Abs 1 Nr 3 EStG nicht erfasst (BFH BStBl II 1989, 24; 2019, 528; 2019, 532; BFH/NV 2013, 1089).
Allerdings hat die Rspr den Tatbestand erweitert auf fremdnützige Betätigungen bzw Betätigungen in einem fremden Rechtskreis überhaupt (BFH BStBl II 2010, 906; 2010, 909, beide zu Berufsbetreuern; so schon FG Thüringen, DStRE 2001, 965; dem folgend FG Nbg EFG 2018, 108 zum Versichertenberater/-ältesten; kritisch Kempermann, FR 2010, 1048).
Kritik: Diese Erweiterung erfolgte mE deutlich ergebnisorientiert zum Zwecke der – sicher wünschenswerten – Einordnung der Berufsbetreuer unter die Vorschrift. Die Rspr fährt sozusagen die Einbahnstraße in der falschen Richtung. Denn Fremdnützigkeit ist bei den Katalogberufen der Nr 3 das allg Element des Tatbestands; Letzterer erfährt durch die Aufzählung eine Einengung auf die Besorgung fremder Vermögensinteressen bzw die Vermögensverwaltung – nicht umgekehrt.
Rn. 328a
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
§ 18 Abs 1 Nr 3 EStG stellt danach auch keinen Auffangtatbestand zu § 18 Abs 1 Nr 1 EStG idS dar, dass nicht alle Voraussetzungen einer Freiberuflichkeit erfüllende Tätigkeiten zumindest als sonstige selbstständige Tätigkeiten zu qualifizieren wären (BFH BStBl II 2019, 528; 2019, 532; BFH/NV 1997, 751; 1997, 753). Eine dahin gehende Annahme lässt sich weder auf den Tatbestand der Vorschrift noch auf systematische Erwägungen stützen (ebenso Kanzler, FR 1994, 114).
Rn. 328b
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Nach gelegentlichen Äußerungen des BFH handelt es sich bei den in § 18 Abs 1 Nr 3 EStG aufgeführten Berufen um mehr gelegentliche Tätigkeiten (BFH BStBl III 1951, 97; 1955, 100; BStBl II 1989, 965; 2004, 112). "Ausnahmsweise" gehören aber auch nachhaltig ausgeübte Tätigkeiten dazu (BFH BStBl III 1961, 306; 1988, 73; 2005, 288). Unklar bleibt aber, was dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis besagen soll. ME können schon deswegen Dauer und/oder Häufigkeit der Tätigkeit keine Kriterien für die Einordnung sein; das gilt umso mehr, als (auch im Gesetz genannte) typische selbstständige Tätigkeiten (Vermögensverwaltung einschließlich Hausverwaltung bzw Aufsichtsratsmitglied) nicht unbedingt nur gelegentliche Tätigkeiten sind. Überdies ist nachhaltig eine Tätigkeit nach einer Vielzahl von Äußerungen des BFH schon dann, wenn ihre Umsetzung eine Mehrzahl von Einzelhandlungen erfordert (s Rn 22). Genau das ist bei den Tätigkeiten des § 18 Abs 1 Nr 3 EStG aber der Fall.
Rn. 328c
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Das Erbringen einer ausschließlich oder weitaus überwiegend persönlichen Arbeitsleistung stellt kein geeignetes Abgrenzungskriterium zwischen gewerblicher und sonstiger selbstständiger Tätigkeit nach ihrer Art dar (BFH BStBl II 1978, 137; 2004, 112). Entsprechendes gilt für die geistige Eigenleistung. Diese Merkmale können lediglich im Einzelfall auf einer zweiten Stufe von Bedeutung sein, wenn sich der StPfl in einem Umfang der Mithilfe von Mitarbeitern oder Subunternehmern bedient, dass die Betätigung die Grenze zur Gewerblichkeit überschreitet (hierzu BFH BStBl III 1956, 45; 1966, 489; BStBl II 1971, 239). Zunächst aber ist die Frage der sonstigen selbstständigen Tätigkeit unabhängig von diesen Merkmalen zu prüfen (BFH BStBl II 2004, 112).
Rn. 328d
Stand: EL 15...