Rn. 71
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Nach § 23 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG ist die Veräußerung von WG iSd Abs 1 Nr 1 von der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft ausgenommen, wenn diese
- zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (1. Alt) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (2. Alt).
Rn. 72
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Mit dieser Ausnahmeregelung soll eine ungerechtfertigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (zB wegen Arbeitsplatzwechsel) vermieden werden (s BT-Drucks 14/23, 252).
- Die 1. Alt soll die Steuerbefreiung bei nur kurzfristigem Besitz ermöglichen.
- Die 2. Alt betrifft die Fälle mit längerer Besitzdauer.
Anders als für die Berechnung der 10-Jahres-Frist, für deren Beginn und Ende der Abschluss des jeweiligen obligatorischen Vertrags relevant ist, erfordert es der Gesetzeszweck des § 23 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG, der die Nutzung des WG zu eigenen Wohnzwecken voraussetzt, für die Bestimmung des Zeitpunkts der Anschaffung und der Veräußerung auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen (BMF vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383 Rz 25).
Rn. 73
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Leerstandszeiten zu Beginn der Nutzung, wenn diese mit der beabsichtigten Nutzung zu Wohnzwecken im Zusammenhang stehen, sind dabei ebenso unschädlich wie Leerstandszeiten zwischen der Beendigung der Nutzung und der Veräußerung, sofern die Veräußerungsabsicht nachgewiesen werden kann (BMF vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383 Rz 25).
Bei unentgeltlichem Erwerb ist dem Erwerber die Art und der Umfang der Nutzung durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (BMF vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383 Rz 26).
Rn. 74
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Die Alt 2 unterscheidet sich von Alt 1 dadurch, dass keine ausschließliche Nutzung zu Wohnzecken gefordert wird. Dies bedeutet nach Auffassung der FinVerw allerdings nicht, dass Unterbrechungen der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in zeitlicher Hinsicht zulässig wären. In beiden Alt muss daher das jeweilige WG in zeitlicher Hinsicht ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden.
Allerdings ist es in Alt 2 nicht notwendig, dass die Wohnung im ersten relevanten Jahr zeitlich in vollem Umfang zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Ausreichend ist ein Zeitraum einer zusammenhängenden Eigennutzung, der sich auf drei Kj erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Jahres – voll auszufüllen (vgl BFH vom 27.06.2017, BStBl II 2017, 1192 und FG Hamburg vom 30.11.2017, 3 V 194/17, DStRE 2019, 85). Die Voraussetzung liegt auch dann vor, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung bis zum Zeitpunkt der Veräußerung vermietet werden sollte (vgl BFH vom 03.09.2019, BStBl II 2020, 310).
Beispiel:
A erwirbt im Mai 2021 eine vermietete Eigentumswohnung. Ende Dezember 2022 bezieht er die Wohnung nach Kündigung des Mieters selbst und bewohnt sie ununterbrochen bis Januar 2024.
Die Veräußerung der Wohnung im Jahr 2024 ist steuerfrei. Dies gilt sogar dann, wenn die Wohnung nach Auszug des A in 2024 bis zur Veräußerung (zB von Februar bis Oktober 2024) vermietet werden sollte.
Rn. 75
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Da § 23 Abs 1 Nr 1 S 3 Hs 1 EStG die Formulierung "WG" (nicht: Gebäude) verwendet, gelten die allg einkommensteuerlichen Regelungen zur Abgrenzung von WG, insb §§ 4 und 5 EStG. Nach R 4.2 Abs 3 und 4 EStR 2012 bilden Gebäudeteile, die nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen, jeweils selbstständige WG, für die jeweils separat zu prüfen ist, ob eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorliegt. Allerdings darf der Nutzungs- und Funktionszusammenhang nach Ansicht des FG Köln nicht von einem engen räumlichen Zusammenhang abhängig gemacht werden (FG Köln vom 20.03.2014, EFG 2014, 2143 zu einem Weinkeller, der einen km von der Wohnung entfernt liegt). Zwar stellt der Grund und Boden ein selbstständiges, vom (zu Wohnzwecken genutzten) Gebäude(-teil) zu unterscheidendes WG dar, zwischen denen auch kein Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht. Allerdings gebietet es der Zweck des § 23 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG, den Grund und Boden in die Begünstigung mit einzubeziehen (BFH vom 25.05.2011, BStBl II 2011, 868).
Der Grund und Boden ist damit grundsätzlich nach dem Verhältnis der Nutzflächen jeweils den verschiedenen selbstständigen WG zuzuordnen. Nach Ansicht des BMF ist dem selbstgenutzten Gebäudeteil allerdings nur der Teil des Grund und Bodens zuzuordnen, der für die entsprechende Gebäudenutzung erforderlich und üblich ist (BMF vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383 Rz 17–19). Dies kann je nach Art und Lage des Grundstücks – zugunsten sowie zuungunsten des StPfl – zu einer vom Nutzflächenverhältnis abweichenden Zuordnung führen.
Die Zuordnung eines unbebauten Gartengrundstücks zu einem benachbarten eigengenutzten Grundstück ist aber keinesfalls möglich, wenn lediglich das unbebaute Grundstück veräußert wird (BFH vom 25.05.2011, BStBl II 2011, 868).
Rn. 76
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