Rn. 23
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Das BVerfG hat in dem Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2009 (BVerfG 2 BvR 310/07, BStBl II 2009, 884) die Verfassungsmäßigkeit des § 24b EStG bejaht. Die gegen diesen Beschluss vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhobene Beschwerde (Az 45 624/09) war unzulässig (Selder in Brandis/Heuermann, § 24b EStG Rz 4 (Februar 2023). Die Nichtberücksichtigung zusammenlebender Eltern begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Weder liege eine Benachteiligung von Ehe und Familie vor, noch sei das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit verletzt. Dabei könne offenbleiben, ob § 24b EStG einer tatsächlichen Mehrbelastung Rechnung trage oder allein der sozialen Förderung diene. Selbst wenn man § 24b EStG als eine reine Fördermaßnahme betrachte, so handele es sich um eine hinreichend sachlich begründete Ungleichbehandlung; aA Kanzler, FR 2020, 660, 662: verfassungswidrige Nichtbegünstigung zusammenlebender Eltern. Das BVerfG verweist insoweit auf die bei "echten" Alleinerziehenden jedenfalls regelmäßig vorliegende besondere zeitliche und psychosoziale Belastung und das erhöhte Armutsrisiko dieser Bevölkerungsgruppe (BT-Drucks 16/9915, 40; Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktberichterstattung: Alleinerziehende im SGB II, 2008, 5ff). Soweit die Vorschrift typisierend gefasst sei, verstoße sie auch nicht gegen den allg Gleichheitssatz.
Damit hat das BVerfG die vom BFH vom 19.10.2006, III R 4/05, BStBl II 2007, 637 unter II.2.d. für bestimmte Fallgruppen geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel nicht geteilt, sondern sie mit der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers als vereinbar angesehen, BVerfG vom 22.05.2009, 2 BvR 310/07, BStBl II 2009, 884 unter II.2.a.bb. Dass die Vorschrift nicht bei Zusammenveranlagten gilt, hat das BVerfG zutreffend nicht als verfassungsrechtlich zweifelhaft angesehen; Loschelder in Schmidt, § 24b EStG Rz 4 (43. Aufl).
Es handelt sich um eine Sozialzwecknorm, gegen die zumindest rechtspolitische Bedenken im Hinblick auf ihre progressionsabhängige Wirkung bestehen (Krömker in H/H/R, § 24b EStG Rz 4 (Februar 2021); Seiler in Kirchhof/Seer, § 24b EStG Rz 1 (23. Aufl); aA Selder in Brandis/Heuermann, § 24b EStG Rz 4 (Februar 2023). Es handelt sich um eine Unterstützungsmaßnahme außerhalb des subjektiven Nettoprinzips, für die dem Gesetzgeber eine weit reichende Gestaltungsfreiheit zusteht, aA von Proff zu Irnich, DStR 2004, 1904; Schulenburg, DStZ 2007, 428. § 24b EStG dürfte als gesetzliche Typisierung insoweit noch innerhalb des legislativen Gestaltungsspielraums verbleiben, da die Vorschrift in vielen Fällen eine Hilfeleistung für Bedürftige in vergleichbaren Lebenslagen beinhaltet, Seiler in Kirchhof/Seer, § 24b EStG Rz 1 (23. Aufl). Alleinerziehende tragen statistisch das mit Abstand größte Armutsrisiko (6. Armuts- und Reichtumsbericht (BT-Drucks 19/29815, S 41, 402, 403)).
Rn. 24
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Anders als die Regelung in § 32 Abs 7 EStG aF setzt § 24b EStG voraus, dass die StPfl keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs 6 EStG oder Kindergeld zu, oder es handelt sich um ein Kind iSd § 63 Abs 1 S 1 EStG, das einen Dienst nach § 32 Abs 5 S 1 Nr und 2 EStG leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs 5 S 1 Nr 3 EStG ausübt. Dies ist insoweit sachgerecht, weil höhere Lebensführungskosten eines alleinerziehenden StPfl nicht davon abhängig sind, ob der StPfl unverheiratet ist oder zwar verheiratet ist, jedoch dauernd getrennt lebt, sondern davon, ob in die Haushaltsgemeinschaft des StPfl mit seinem Kind eine weitere Person einbezogen ist, die sich tatsächlich oder finanziell an der Haushaltsführung beteiligt.
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende begünstigt somit – anders als der Haushaltsfreibetrag – nicht mehr Erziehungs- und Haushaltsgemeinschaften von nicht verheirateten, in Haushaltsgemeinschaft mit Kindern lebenden Eltern gegenüber verheirateten Eltern, die ebenfalls mit ihren Kindern in Haushaltsgemeinschaft leben.
Rn. 25
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Gesetzesbegründung zu § 24b EStG (BT-Drucks 15/3339, 19) geht davon aus, dass bei "echten" Alleinerziehenden, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern in einer gemeinsamen Wohnung führen, regelmäßig von "höheren Lebensführungskosten" ausgegangen werden kann, vgl dazu auch BVerfG vom 10.11.1998, BStBl II 1999, 182 unter II.2.: Haushaltsmehrbedarf. Als Vergleichsgruppe hat der Gesetzgeber nunmehr zutreffend den "echten" Alleinerziehenden denjenigen Eltern gegenübergestellt, die einen gemeinsamen Haushalt mit einem anderen Elternteil oder mit einer anderen erwachsenen Person führen, die tatsächlich oder finanziell zur Haushaltsführung beiträgt.
Rn. 26
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Ferner hat der Gesetzgeber darzulegen versucht, worin er die bei "echten" Alleinerziehenden typischerweise auftretende Mehrbelastung sieht. Soweit der Gesetzgeber darauf abste...