Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 383
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der GoB-Begriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (vgl Döllerer BB 1959, 1217; BFH v 12.05.1966, IV 472/60, BStBl III 1966, 371; BMF v 28.11.2019, BStBl I 2019, 1269 Tz 17). Mit dessen Abgrenzung ist zugleich die Reichweite des Maßgeblichkeitsgrundsatzes wesentlich abgesteckt.
Gesetzliche GoB-Inbezugnahme: Die handelsrechtlichen GoB werden durch verschiedene handels- und steuerrechtliche Normen in Bezug genommen, ohne dass im Gesetz selbst eine abschließende Definition erfolgt, zB
- § 238 HGB (Buchführungspflicht): Jeder Kaufmann ist verpflichtet […] die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen.
- § 239 Abs 4 HGB (Führung der Handelsbücher): Handelsbücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den GoB entsprechen.
- § 241 Abs 1, 2 HGB (Inventurvereinfachungsverfahren): Das Verfahren muss den GoB entsprechen (Abs 1). Bei der Aufstellung des Inventars […] bedarf es einer körperlichen Bestandsaufnahme […] nicht, soweit durch Anwendung eines den GoB entsprechenden anderen Verfahrens gesichert ist, dass der Bestand [...] festgestellt werden kann (Abs 2).
- § 243 Abs 1 HGB (Aufstellungsgrundsatz): Der JA ist nach den GoB aufzustellen.
- § 256 HGB (Bewertungsvereinfachungsverfahren): Soweit es den GoB entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, dass die zuerst oder dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst verbraucht oder veräußert worden sind.
- § 257 Abs 3 HGB (Aufbewahrung von Unterlagen, Aufbewahrungsfristen): können die in Abs 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den GoB entspricht;
- § 264 Abs 2 HGB (Pflicht zur Aufstellung; Befreiung): Der JA der KapGes hat unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KapGes zu vermitteln.
- § 297 Abs. 2 HGB (Inhalt Konzernabschluss): Er hat unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln.
- § 321 Abs 2 HGB (Prüfungsbericht): Es ist auch darauf einzugehen, ob der Abschluss insgesamt unter Beachtung der GoB oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KapGes oder des Konzerns vermittelt.
- § 322 Abs 3 HGB (Bestätigungsvermerk): In einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk hat der Abschlussprüfer zu erklären, dass der […] Jahres- oder Konzernabschluss […] den gesetzlichen Vorschriften entspricht und unter Beachtung der GoB oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KapGes oder des Konzerns vermittelt.
- § 342 Abs 2 HGB (Privates Rechnungslegungsgremium): Die Beachtung der die Konzernrechnungslegung betreffenden GoB wird vermutet, soweit vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bekanntgemachte Empfehlungen einer nach Abs 1 S 1 anerkannten Einrichtung beachtet worden sind.
- § 4 Abs 2 EStG (Gewinnbegriff): Der StPfl darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den GoB unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht […].
- § 5 Abs 1 EStG (Gewinn bei Kaufleuten): "das BV anzusetzen, das nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung anzusetzen ist"
- § 6 Abs 1 Nr 2a EStG (Bewertung): StPfl, die den Gewinn nach § 5 ermitteln, können für den Wertansatz gleichartiger WG des Vorratsvermögens unterstellen, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten WG zuerst verbraucht oder veräußert worden sind, soweit dies den handelsrechtlichen GoB entspricht.
Rn. 384
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
GoB-Begriff iwS: Die GoB umfassen entgegen des engen Wortsinns nicht lediglich die Buchführungsgrundsätze (iS laufender Finanzbuchführung), sondern bereits ausweislich der normativen Inbezugnahme für weitere Bereiche der Rechnungslegung (s Rn 383) Folgendes (vgl ADS, § 243 HGB Rz 2; Justenhoven/Usinger in BeBiKo, § 243 HGB Rz 1 (13. Aufl 2022)):
- Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (im engeren Sinn),
- Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur,
- Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung.
Ordnungsmäßige Buchführung und Inventur sind (Vor-)Bedingungen/funktionale Voraussetzungen ordnungsmäßiger Bilanzierung (vgl Kleindiek in MüKo BilR, § 243 HGB Rz 2 (2013)).
Rn. 385
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Partielle Kodifizierung: Insb durch das BiRiLiG v 19.12.1985 (BGBl I 1985, 2355) sowie das BilMoG v 25.05.2009 (BGBl I 2009, 1102) wurden zentrale GoB in §§ 238–263 HGB kodifiziert. Daneben ist ins...