Rn. 120
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die durch das SteuerumgehungsbekämpfungsG (StUmgBG) vom 23.07.2017, BGBl I 1682 mwV 01.01.2018 eingefügte und durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.07.2019, BGBl I 2019, 1066 mWv 18.07.2019 aufgehobene Regelung sollte nach der Gesetzesbegründung verhindern, dass für einen mehrjährigen Zeitraum in der Vergangenheit rückwirkend Kindergeld ausgezahlt werden kann, BT-Drucks 18/12127, 62. Insoweit weicht die Regelung in § 66 Abs 3 EStG aF von der des § 169 AO ab, der eine reguläre Festsetzungsfrist von 4 Jahren beinhaltet. Da das Kindergeld die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes im laufenden Kj sicherstellen soll, bedarf es keiner mehrjährigen Rückwirkung, zumal Anträge auf Kindergeld regelmäßig zeitnah gestellt werden. Auch in den Fällen, in denen das Kindergeld vollständig der Familienförderung iSd § 31 Abs 2 EStG dient, bedarf es keines Gleichklangs mit der steuerlichen Festsetzungsfrist.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestehen nicht; die Frist als solche und die Dauer von 6 Monaten vor Beginn des Monats, an dem der Kindergeldantrag eingegangen ist, erschienen noch verfassungsgemäß, BFH vom 24.10.2000, VI R 65/99, BStBl II 2001, 109; BFH vom 14.05.2002, VIII R 68/00, BFH/NV 2002, 1293 (Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss des BVerfG vom 06.11.2003, 2 BvR 1240/02) zur gleich lautenden Regelung in § 66 Abs 3 EStG aF, der mit Wirkung ab dem 01.01.1998 aufgehoben worden ist.
Rn. 121
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Maßgebend für die Berechnung der Frist von 6 Monaten, für die rückwirkend das Kindergeld ausgezahlt wird, ist nicht die Absendung des Kindergeldantrags, sondern der Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.
Geht der Antrag bei einer unzuständigen Behörde ein, dürfte der Eingang bei der zuständigen Behörde maßgebend sein. Das Risiko der fehlgeschlagenen oder verzögerten Übermittlung des Kindergeldantrags an die zuständige Familienkasse trägt somit der Antragsteller.
Rn. 122
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Die Regelung bewirkt, dass das Kindergeld über die zurückliegenden 6 Monate hinaus nicht mehr zur Auszahlung kommt. Die Regelung soll jedoch den materiell-rechtlichen Anspruch auf Kindergeld unberührt lassen, BT-Drucks 18/12127, 62; so zB im Rahmen der Vergleichsberechnung des § 31 S 4 EStG (sog Günstigerprüfung) oder in Bezug auf an das Kindergeld anknüpfende Annexleistungen im außersteuerlichen Bereich.
Nach Auffassung des BZSt soll die Regelung des § 66 Abs 3 EStG aF nur im Erhebungsverfahren gelten und nicht das Festsetzungsverfahren betreffen (vgl BZSt vom 25.10.2017, BStBl I 2017, 1540 Abschn 1, Abschn 2.1), so auch Weber-Grellet in Schmidt, § 66 EStG Rz 6 (38. Aufl); Bauschatz in Korn, § 55 EStG Rz 15 (April 2018). Die Festsetzung von Kindergeld für Zeiträume, die über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs 3 EStG zurückreichen, soll nur erfolgen, wenn die Familienkasse das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld ohne weitere Sachverhaltsaufklärung feststellen kann bzw bei erkennbarem Interesse des Berechtigten, BZSt vom 26.10.2017, BStBl I 2017, 1540, Abschn 1, Abschn 2.4. Die Festsetzung soll erfolgen können, sofern sie für andere Ansprüche von Bedeutung ist, BZSt, BStBl I 2017, 1540, Abschn 1. In diesen Fällen sei in den Festsetzungsbescheid ein Hinweis auf die Auszahlungsbeschränkung des § 66 Abs 3 EStG aufzunehmen, BZSt vom 26.10.2017, BStBl I 2017, 1540 Abschn 2.1 Bsp 1.
In allen anderen Fällen soll keine weitere Prüfung durch die Familienkasse erfolgen und auch keine Festsetzung für einen Zeitraum, der vor dem Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs 3 EStG endet, ausführlich dazu Wendl, DStR 2018, 2065 Tz 5; Wendl in H/H/R, § 66 Rz 21 (Juni 2021).
Rn. 123
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
§ 66 Abs 3 EStG findet nach § 52 Abs 49a S 10 EStG nur auf solche Anträge Anwendung, die nach dem 31.12.2017 eingehen. Auch gegen diese Regelung bestand keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Da das StUmgBG vom 23.06.2017 bereits am 24.06.2017 im BGBl veröffentlicht worden ist, stand den Kindergeldberechtigten ein Zeitraum von rund 6 Monaten zur Verfügung, um rückwirkende Kindergeldanträge an die Familienkassen zu richten. Dieser Zeitraum erscheint noch ausreichend. Wurde der Kindergeldgeldantrag nicht fristgerecht eingereicht, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich, insoweit handelt es sich nicht um eine gesetzliche Frist iSd des § 110 Abs 1 AO.
Die Nichteinhaltung des Sechsmonatszeitraums hat entgegen V 22.2 DA-KG 2019 materiell ausschließende Wirkung, vgl BFH vom 24.10.2000, VI R 65/99, BStBl II 2001, 109; BFH vom 14.05.2002, VIII R 68/00, BFH/NV 2002, 1293 (Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss des BVerfG vom 06.11.2003, 2 BvR 1240/02) zur gleich lautenden Regelung in § 66 Abs 3 EStG aF, der mit Wirkung ab dem 01.01.1998 aufgehoben worden ist.
Auch der Regelung in § 66 Abs...