Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. GmbH-Geschäftsführer. Ein-Mann-GmbH. Geschäftsführeranstellungsvertrag. Vetorecht. Rechtsmacht. mündliche Treuhandabrede. Beurkundungserfordernis. formwirksames Treuhandverhältnis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein dem Geschäftsführer bloß schuldrechtlich außerhalb des Gesellschaftsvertrags im Geschäftsführeranstellungsvertrag eingeräumtes Veto-Recht gegen mehrheitlich gefasste Beschlüsse der Gesellschafterversammlung reicht für eine sozialversicherungsrechtlich erhebliche Verschiebung der Machtverhältnisse nicht aus und rechtfertigt nicht die Annahme seines sozialversicherungsrechtlichen Status als Selbstständiger (vgl BSG vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 28). Dies gilt auch für eine Ein-Mann-GmbH.

2. Zum Beurkundungserfordernis einer Treuhandabrede.

3. Zur sozialversicherungsrechtlichen Erheblichkeit eines formwirksamen Treuhandverhältnisses.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.12.2019; Aktenzeichen B 12 KR 9/18 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2015 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit der Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis zum 11. September 2017 betroffen ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 4) steht.

Der 1961 geborene Kläger war als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4) bestellt, die am 27. Oktober 2009 durch notariellen Vertrag gegründet wurde. Alleinige Gesellschafterin der GmbH war die Ehefrau des Klägers. Ausweislich des Gesellschaftsvertrags ist Gegenstand des Unternehmens der Garten- und Landschaftsbau, die Garten und Baumpflege. Die Beigeladene zu 4) wurde am 20. April 2010 in das Handelsregister eingetragen.

Am 18. November 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Er legte u.a. einen Arbeitsvertrag vom 28. April 2011 vor, nach dem er ab dem 1. Mai 2011 als weisungsunabhängiger Geschäftsführer für einen Monatslohn von 2.500,- € wöchentlich 40 Stunden für die Beigeladene zu 4) tätig sein sollte. Nach Anhörung des Klägers und der Beigeladenen zu 4) entschied die Beklagte durch Bescheid vom 20. Februar 2012, dass der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 4) seit dem 1. Mai 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Mit Beginn der Tätigkeit bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass der Kläger aufgrund seiner fehlenden Kapitalbeteiligung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 4) habe, der vorgelegte Arbeitsvertrag arbeitstypische Regelungen zum Urlaubsanspruch und über die Fortzahlung der Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit enthalte, dass ein gesonderter Anstellungsvertrag bestehe, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele und dass für die Tätigkeit eine feste monatliche Vergütung gezahlt werde. Für eine selbständige Tätigkeit spreche, dass der Kläger einzelvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB befreit sei. Die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale würden überwiegen.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die tatsächlichen Verhältnisse eklatant von dem Akteninhalt abweichen würden. Er sei Kopf und Seele des Unternehmens. Er sei jahrzehntelang als Geschäftsführer in diversen Gesellschaften selbständig gewesen. Seine Ehefrau als einzige Gesellschafterin sei nur untergeordnet in der Firma tätig. Er lenke als einziger die Geschicke des Unternehmens und verfüge allein über die erforderlichen Branchenkenntnisse. Er regle die Aufträge, stelle allein Personal ein und entlasse es gegebenenfalls wieder. Seine Urlaubsplanung und die Entnahmen würden sich nach der Betriebssituation richten. Er habe auch im sehr guten Geschäftsjahr 2011 kein Gehalt entnommen. Der vorgelegte Arbeitsvertrag werde durch einen der Lebensrealität angepassten Vertrag ersetzt werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2012 zurück. Der Kläger sei am Kapital der Beigeladenen zu 4) nicht beteiligt. Er habe nicht die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. In der Gesellschafterversammlung habe er kein Stimmrecht. Auch wenn die Inhaber der Rechtsmacht wegen der guten Leistungen des Klägers bisher keine Notwendigkeit hatten, ihre Rechtsmacht auszuüben, hätten sie nicht wirksam auf diese Rechtsmacht verzichtet.

Mit der am 11. Januar 2013 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 20. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2012 ...

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