rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des berechtigten Interesses i.S.d. § 67 Abs. 1 Satz 2 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Teilt ein Stpfl nach der Ehescheidung dem Arbeitsamt — Kindergeldkasse — mit, das Sorgerecht für die Kinder liege nunmehr bei seiner geschiedenen Ehefrau, wo die Kinder auch wohnen und bittet er unter Angabe der Kontonummer um Überweisung des Kindergeldes direkt an die geschiedene Ehefrau, so beinhaltet das einen Antrag i.S.v. § 67 Abs. 1 Satz 2 EStG auf Zahlung von Kindergeld an die Kindesmutter.
  2. Der Begriff des berechtigten Interesses umfasst neben rechtlichen auch persönliche und wirtschaftliche Interessen. Personen, die dem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet sind, haben ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne.
  3. Die DA FamEStG 67.3, wonach ein berechtigtes Interesse bei anderen Personen dann nicht anzunehmen sein soll, wenn der Anspruchsberechtigte den Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern nachkommt, steht mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum das Interesse des Kindesvaters an der Kindergeldleistung wegfallen soll, wenn die Mutter als Anspruchsberechtigte ihren Kindern Unterhalt im ihr obliegenden Umfang gewährt.
 

Normenkette

EStG § 67 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit der Klägerin rückwirkend Kindergeld für ihre Kinder I und G zusteht.

Die Klägerin war bis zum 22. Februar 1993 mit dem Beigeladenen, dem Vater der beiden Kinder I (geb. 1979) und G (geb. 1980) verheiratet. Während der Ehezeit erhielt der Beigeladene das Kindergeld. Nach der Scheidung teilte er dem Arbeitsamt S — Kindergeldkasse — mit Schreiben vom 29. März 1993 u.a. mit, dass das Sorgerecht für beide Kinder der Klägerin zugesprochen worden sei und die Kinder im Haushalt der Klägerin wohnten. Er bat, das Kindergeld direkt an die Klägerin zu überweisen und gab deren Kontonummer bei der Kreissparkasse X an. Im einzelnen wird auf das Schreiben vom 29. März 1993 Bezug genommen.

Das Arbeitsamt S hob daraufhin die Entscheidung über die Bewilligung des Kindergeldes gegenüber dem Beigeladenen ab Mai 1993 auf. Nach Aktenlage wurde die Klägerin mit Schreiben des Arbeitsamtes vom 1. April 1993 darauf hingewiesen, dass sie einen Anspruch auf Kindergeld haben könnte. Gleichzeitig wurde ihr ein Vordruck „Antrag auf Kindergeld/Antrag auf Kindergeldzuschlag” übersandt.

Mit Schreiben vom 23. Mai 1997, eingegangen beim Beklagten am 28. Mai 1997, beantragte die Klägerin Kindergeld für ihre beiden Kinder. Auf eine Rückfrage des Beklagten, warum sie erst jetzt Kindergeld beantrage, verwies die Klägerin auf die Mitteilung ihres geschiedenen Ehemannes aus dem Jahre 1993 und die Aufhebung der Kindergeldzahlung gegenüber diesem. Mit Bescheid vom 12. Juni 1997 bewilligte der Beklagte Kindergeld für die beiden Kinder I und G nur für die Zeit ab November 1996.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch wandte die Klägerin sich gegen die Begrenzung der rückwirkenden Zahlung für die letzten 6 Monate vor Antragstellung. Es liege kein verspäteter Antrag vor, sondern ein Fehler auf Seiten des Arbeitsamtes. Da ihr geschiedener Ehemann nach der Scheidung für beide Kinder Unterhalt habe zahlen müssen, sei sie davon ausgegangen, dass er auch weiterhin das Kindergeld bekomme. Das Arbeitsamt habe ihrem geschiedenen Ehemann zwar mitgeteilt, dass er nach der Scheidung kein Kindergeld mehr erhalte, sie sei jedoch weder benachrichtigt noch sei ihr ein Antragsformular zugeschickt worden. Das Schreiben vom 1. April 1993 sei ihr nicht zugegangen. Sie sei immer davon ausgegangen, ihr geschiedener Ehemann bekomme das Kindergeld, er sei davon ausgegangen, sie bekomme das Kindergeld. Bis vor einem Monat sei ihnen gar nicht aufgefallen, dass keiner das Kindergeld erhalte.

Der Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte der Beklagte folgendes aus: Nach § 66 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sei das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats zu zahlen, in dem der Antrag auf Kindergeld bei dem örtlich zuständigen Arbeitsamt — Familienkasse — eingegangen sei. Da der Antrag der Klägerin erst am 28. Mai 1997 beim Arbeitsamt eingegangen sei, sei Kindergeld erst ab November 1996 zu bewilligen. Dahin stehen könne, ob die Klägerin das Schreiben des Arbeitsamtes vom 1. April 1993 erhalten habe oder nicht, da keine Rechtspflicht zur Zusendung eines solchen Schreibens bestehe.

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin weist erneut darauf hin, dass das Schreiben des Arbeitsamtes vom 1. April 1993 nicht zugegangen sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten obliege diesem eine Aufklärungspflicht. Hierfür spreche bereits der Inhalt des Schreibens vom 1. April 1993. Es habe Formularcharakter, müsse also in einer Vielzahl von Fällen seitens des Beklagten zumindest im Jahr 1993 Verwendung gefunden haben. Sinn und Zweck des Kindergeldgesetzes bestehe darin, den Erziehungsberechtigten bei der Erziehung der Kinder durch materielle Hilf...

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