rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung freiberufliche/gewerbliche Tätigkeit bei selbständigem Parlamentsstenograph

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein selbstständiger Parlamentsstenograf, der analytische Protokolle zu erstellen hat, übt eine einem Schriftsteller ähnliche Tätigkeit aus. Er erzielt daher Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1989, 1990, 1991, 1992

 

Tatbestand

Die Kläger waren in den Streitjahren als Parlamentsstenographen tätig. Zur gemeinsamen Berufsausübung hatten sie sich mit Vertrag vom 01.12.1988 zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen. Der Beklagte qualifizierte die Einkünfte der Kläger als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Einkommensteuergesetz (EStG). Dementsprechend erließ er für die Jahre 1989 bis 1992 Gewerbesteuermessbescheide gegenüber der GbR und stufte die Einkünfte der Kalenderjahre 1991 und 1992 in den Feststellungsbescheiden für diese Jahre als gewerbliche Einkünfte ein.

Im Einspruchsverfahren gegen diese Bescheide machten die Kläger geltend, dass ihre Gewinne aus der Tätigkeit als Parlamentsstenographen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 EStG zu qualifizieren seien. Ihre Tätigkeit weise eindeutige Parallelen zu den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannten Tätigkeiten auf. Insbesondere könne das Berufsbild des Parlamentsstenographen mit dem des Schriftstellers, Journalisten und des Übersetzers verglichen werden. Die sogenannten analytischen Protokolle der Parlamentsstenographen seien deutlich von den sogenannten Wortprotokollen zu unterscheiden. Die Fertigung analytischer Protokolle über Verhandlungen, Sitzungen, Debatten usw. in den Parlamenten bzw. in verschiedenen Ausschüssen sei eine äußerst anspruchsvolle Tätigkeit. Daher seien die fest in einem Parlament tätigen Parlamentsstenographen Beamte des höheren Dienstes oder Angehörige in vergleichbaren Gehaltsgruppen. Vor der Gründung der GbR sei der Gesellschafter A als Regierungsrat und die Gesellschafterin G als Angestellte der Vergütungsgruppe II a BAT im stenographischen Dienst des niedersächsischen Landtags tätig gewesen.

Der Beklagte wies die Einsprüche gegen alle angefochtenen Bescheide durch Einspruchsbescheid vom 13.11.1995 zurück. Diesen Einspruchsbescheid richtete der Beklagte – auch soweit sie sich auf die Gewerbesteuermessbeträge bezogen – an die Kläger A und G. Mit der Klage machen die Kläger die unwirksame Bekanntgabe des Einspruchsbescheids geltend, soweit er sich auf die Gewerbesteuermessbescheide bezieht. Dieser Bescheid sei insoweit nicht wirksam bekannt gegeben worden. Denn er sei nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, an die GbR bekannt gegeben worden, sondern an ihre Gesellschafter als Inhaltsadressaten. Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Kläger ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Auf die detaillierte Klagebegründung vom 16.04.1996 wird insoweit Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

die Gewerbesteuermessbescheide 1989 bis 1992 vom 27.01.1994 (1989 und 1990) sowie vom 21.10.1993 (1991) und vom 31.3.1993 (1992) in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.11.1995 ersatzlos aufzuheben sowie die Feststellungsbescheide 1991 und 1992 vom 07.04.1993 sowie vom 09.03.1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.11.1995 zu ändern und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in solche aus selbständiger Arbeit zu ändern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Steuerakten und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat die von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen Blätter zur Berufskunde „Parlamentsstenograph, Parlamentsstenographin”, 6. Auflage, Bielefeld 1989, beigezogen. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung ihre Tätigkeit ausführlich erläutert. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I. Soweit sich die angefochtene Einspruchsentscheidung auf die Gewerbesteuermessbescheide bezieht, fehlt es bereits an einer wirksamen Bekanntgabe. Steuerschuldnerin der Gewerbesteuer ist die Klägerin zu 1. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 5 Abs. 1 Satz 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG). Dieser Gesellschaft, vertreten durch ihre Gesellschafter (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung [AO]) war der Einspruchsbescheid insoweit bekanntzugeben (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO; vgl. dazu BFH, Urteil vom 16.11.1989 – IV R 29/89BStBl II 1990, 272 [273]). Daran mangelt es hier. Der Einspruchsbescheid bezeichnet als Inhaltsadressaten lediglich die Gesellschafter, nicht aber die Gesellschaft. Der bezüglich der Gewerbesteuermessbescheide nicht wirksam bekannt gegebene Einspruchsbescheid ist daher auf entsprechenden Antrag der Klägerin zur Klarstellung der Rechtslage aufzuheben (vgl. zur Aufhebung unwirksamer Verwaltungsakte aus Gründen der Klarstellung BFH, Urteil vom 26.03.1985 – VIII R 225/83BStBl II 1985, 603 [605]).

II. Die übrigen, mit der Klage angefochtenen...

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