Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnungsentscheidung für Gegenstand, der unternehmerischen wie nichtunternehmerischen Zwecken dienen soll
Leitsatz (redaktionell)
- Der Unternehmer hat hinsichtlich eines Gegenstandes, der sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische Zwecke vorgesehen ist (sog. gemischte Nutzung) ein Zuordnungswahlrecht. Das gilt auch für gemischt genutzte Gebäude.
- Der Unternehmer kann den Gegenstand entweder insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, oder ihn in vollem Umfang in seinem PV belassen, wodurch er dem MwSt-System vollständig entzogen wird oder ihn entspr. dem – geschätzten – unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen und im Übrigen dem nicht unternehmerischen Bereich zuordnen.
- Soll der Gegenstand insgesamt dem Unternehmen zugeordnet werden, ist im Zeitpunkt des Leistungsbezugs eine sofortige Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen erforderlich.
- Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist i.d.R. ein gewichtiges Indiz für die Zuordnung zum Unternehmen, die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein gewichtiges Indiz dagegen.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9, 9a, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 S. 2
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin errichtete in 2003 zusammen mit ihrem als Bezirkschornsteinfegermeister unternehmerisch tätigen Ehemann ein Gebäude auf dem Grundstück in S. Das Grundstück gehörte den Eheleuten je zur Hälfte. Die gesamte Wohn- und Nutzfläche des Gebäudes betrug 298,02 qm. Davon entfielen 123,75 qm (41,50 %) auf ein Büro, das vom Ehemann der Klägerin für sein Unternehmen genutzt wurde. Im Übrigen nutzten die Klägerin und ihr Ehemann das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken. Die Klägerin ordnete die Herstellungskosten und Vorsteuern den Nutzflächen im Einzelnen zu. In der Zeit vom 01.01. bis 31.12. 2004 entstanden Herstellungskosten in Höhe von brutto insgesamt 39.070,07 € (netto 33.762,72 €). Davon entfielen auf die Herstellung des Büros netto 6.019,49 € zuzüglich 923,82 € Umsatzsteuer und auf die Wohnung netto 27.743,23 € zuzüglich 4.383,53 € Umsatzsteuer. Die gesamten in den Jahren 2003 und 2004 entstandenen Herstellungskosten betrugen brutto 235.285,12 € (netto 202.915,98 €). Davon entfielen netto 70.084,30 € auf die Herstellung des Büros und 132.831,68 € netto auf die übrigen Herstellungskosten. In seiner Bilanz 2003 aktivierte der Ehemann der Klägerin den betrieblich genutzten Gebäudeteil mit Nettowerten.
Mit Vertrag vom 31. Dezember 2003 vermietete die Klägerin ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Büro sowie einen Anteil Nutz- und Betriebsfläche im Hausanbau (inklusive zwei Garagenstellplatzanteilen) mit Wirkung vom 1. Januar 2004 an ihren Ehemann und optierte zur Umsatzsteuer. Mit einem Fax vom 13. Januar 2004 stellte der Steuerberater der Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke. Zur Begründung teilte er mit, dass die Klägerin ab Januar 2004 ihren Miteigentumsanteil an dem von ihrem Ehemann gewerblich genutzten Teil des Neubauobjekts Bstr. 66 in S vermiete und hinsichtlich der Vermietungsumsätze eine Option nach § 9 UStG zur Umsatzsteuerpflicht erfolge. Die während der Bauphase angefallenen Vorsteuerbeträge würden demnächst für 2003 geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf das Fax verwiesen.
Die Klägerin gab entgegen § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG keine monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Vorsteuern aus der Erstellung des Gebäudes in 2003 erklärte sie unter Hinweis auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Seeling (Rs. C 269/00) erstmals und vollständig in ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung 2003, die am 20. Dezember 2004 beim Beklagten einging. Die in 2004 entstandenen Vorsteuern aus der Erstellung des Gebäudes erklärte sie ebenfalls nicht in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen, sondern erstmals in ihrer Umsatzsteuererklärung 2004, die am 04. Oktober 2005 beim Beklagten einging. Die unentgeltliche Wertabgabe für das Jahr 2004 berechnete sie in der Jahreserklärung auf eine Bemessungsgrundlage der Abschreibungen auf die Herstellungskosten des Wohnteils in Höhe von 132.831,68 € abzüglich Herstellungskosten ohne Vorsteuern in Höhe von 557,67 € mit 2 % von 66.137 € (132.274,01 € x 50 %) = 1.322,74 €. Der Beklagte erteilte zunächst seine Zustimmung zu der eingereichten Umsatzsteuererklärung. Nach einer beim Ehemann der Klägerin durchgeführten Außenprüfung berücksichtigte der Beklagte die unentgeltliche Wertabgabe, indem er die Abschreibungen für die Berechnung der Bemessungsgrundlage auf einen Zeitraum von 10 Jahren verteilte, in Höhe von 6.613 € (66.167 € x 10 %) und setzte die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheid vom 15. Dezember 2005 entsprechend höher fest. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens berücksichtigte der Beklagte die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 19. April 2007 (Az. V R 56/04, BStBl II 2007, 676) zu § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in der Fassung des EURLUmsG vom 9. Dez...