Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweispflicht des Finanzamtes bei fehlendem Absendevermerk des (Umsatz-)Steuerbescheides
Leitsatz (redaktionell)
- Das Finanzamt ist darlegungs- und beweispflichtig, dass ein Steuerbescheid zur Post gegeben wurde und den Bereich des Finanzamts rechtzeitig verlassen hat.
- Der erforderliche Nachweis wird grds. durch einen Absendevermerk auf der in den Steuerakten befindlichen Ausfertigung des Umsatzsteuerbescheides erbracht.
- Fehlt ein derartiger Absendevermerk, kann das Finanzamt den ihm obliegenden Nachweis, der Bescheid habe den Behördenbereich verlassen, nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises führen.
- Es gibt keinen sachlichen Grund, die Frage der Beweislast und damit der Risikoverteilung einseitig zugunsten der Finanzämter zu entscheiden.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2
Streitjahr(e)
1984
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Vermietung von Wohnungen. In 1984 erweiterte sie ihr Unternehmen, indem sie sich an dem im Rahmen eines sogenannten Bauherrenmodells errichteten Aparthotel M in B beteiligte. Das Appartement wird seit Bezugsfertigkeit 1985 umsatzsteuerpflichtig an die Betriebsgesellschaften G.d.b.R der Appartement-Eigentümer des M I bzw. nach Zusammenschluss der G.d.b.R der Appartement-Eigentümer des M I und II (Alt-Betriebsgesellschaft) sowie Betriebsgesellschaft M Hotelanlage G.d.b.R (Neu-Betriebsgesellschaft) vermietet.
In ihrer am 9. Juli 1985 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung erklärte die Klägerin einen Vorsteuerüberhang in Höhe von ……. DM. Mit Bescheid vom 17.09.1986 stimmte der Beklagte der Umsatzsteuererklärung zu. Mit Änderungsbescheid vom 19. Juni 1987 setzte der Beklagte eine höhere negative Umsatzsteuer fest.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung des Betriebs-Finanzamtes vom 13. Oktober 1992 bis 7. November 1994 machte der Beklagte als Eigentümer-Finanzamt die Vorsteuern und Umsatzsteuern 1984 aus dem Erwerb und der Vermietung des Appartements M in B rückgängig, da er eine Unternehmereigenschaft der Klägerin hinsichtlich dieses Objektes nicht anerkannte. Darüber hinaus ging er von einer Steuerhinterziehung mittels Scheinmietverträgen aus. Gegen den Änderungsbescheid, der das Datum 1. November 1995 trägt, legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1995 Einspruch ein. Der Einspruch ist mit einem Eingangsstempel des Beklagten vom 5. Dezember 1995 versehen. Der Beklagte sah den Einspruch als verspätet an und verwarf ihn als unzulässig. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin behauptet, sie habe den Einspruch rechtzeitig innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eingelegt. Der Gesellschafter …. könne bezeugen, dass das Einspruchsschreiben entgegen den Angaben des Beklagten bereits am 4. Dezember 1995 von ihm in den Postkasten des Beklagten eingesteckt worden sei. Letztlich komme es darauf aber nicht an, da der Beklagte bereits nicht nachweisen könne, dass der Umsatzsteuerbescheid am 1. November 1995 zur Post gegeben worden sei. Tatsächlich sei dieser zu einem späteren Zeitpunkt zur Post gegeben worden. Hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Aparthotel M sei sie Unternehmerin gewesen, weil sie das Appartement in Einnahmeerzielungsabsicht erworben und tatsächlich umsatzsteuerliche Leistungen erbracht habe. Deshalb liege auch keine Steuerhinterziehung vor, so dass der Beklagte die ursprünglichen Steuerbescheide aufgrund der eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht habe ändern dürfen.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 1984 vom 1. November 1995 und den Einspruchsbescheid vom 8. März 1996 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte erkennt mittlerweile die Unternehmereigenschaft der Klägerin hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Rahmen des Aparthotels M und die damit in Zusammenhang stehenden Vorsteuern an. Er meint jedoch, der Einspruch der Klägerin sei verspätet.
Das Gericht hat Beweis erhoben über das Absendeverfahren des Umsatzsteuerbescheides beim Beklagten durch Vernehmung der Zeugin S und des Verwaltungsarbeiters Sch als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 17.05.2001 verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte verwiesen. Dem Gericht haben die Steuerakten zu Steuer-Nr. ………vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat den Umsatzsteuerbescheid 1984 rechtzeitig innerhalb der Rechtsbehelfsfrist angefochten. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig, weil er nach Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist ergangen ist. Die Klägerin ist hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Apparthotel M Unternehmerin gewesen, so dass ihr der beantragte Vorsteuerabzug zusteht und die von ihr erzielten Umsätze der Umsatzsteuer unterliegen.
Die Klägerin hat gegen den auf den 1. November 1995 datierten Umsatzsteuerbescheid 1984 rechtzeitig Einspruch eingelegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin den Einspruch bereits am 4. D...