Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme des Erbfallkostenpauschbetrages durch eine Vermächtnisnehmerin
Leitsatz (redaktionell)
- Der Erbfallkostenpauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG kann von Vermächtnisnehmern auch dann in Anspruch genommen werden, wenn sie nicht durch Auflage des Erblassers mit Kosten belastet sind.
- Ist der Nachlass nicht vollständig in Deutschland steuerpflichtig, dann wird der Erbfallkostenpauschbetrag nur anteilig in Höhe der Quote des in Deutschland erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs zum Gesamtnachlass berücksichtigt.
- Tatsächlich entstandene Aufwendungen für die Erlangung des Erwerbs sind nicht neben dem Pauschbetrag zu berücksichtigen (entgegen R E 10.9 Abs. 5 ErbStR).
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung pauschaler Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG)
Am 27. November 2019 verstarb die in Großbritannien lebende Tante der Klägerin. Erbe wurde ihr Bruder. Der Nachlass hatte vor Abzug von Kosten insgesamt einen Wert von 247.605 Britische Pfund (GBP). Die Klägerin erhielt aufgrund einer testamentarischen Verfügung der Erblasserin hieraus einen Betrag i.H.v. 50.000 GBP.
Die Klägerin zeigte den Erwerb beim Beklagten an. Dieser forderte die Klägerin zur Abgabe einer vereinfachten Erbschaftsteuererklärung auf. Die Klägerin erklärte, dass sie umgerechnet 58.000 EUR erhalten habe. Dieser Betrag sei ihr vom Nachlassverwalter überwiesen worden. Die Beerdigungskosten seien, soweit es ihr bekannt sei, vom Nachlass abgezogen worden. Sie selbst habe Aufwendungen i.H.v. 13,20 EUR getragen. Dazu legte sie Belege über 6 EUR für eine Beglaubigung und über 7,20 EUR für Portokosten vor. Sie beantragte den Abzug des vollen Pauschbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG.
Der Beklagte erließ am 26. Juli 2021 einen Erbschaftsteuerbescheid für einen sonstigen Erwerb nach § 3 ErbStG i.H.v. 58.000 EUR. Davon brachte er Verbindlichkeiten i.H.v. 14 EUR zum Abzug. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 16 Abs. 1 ErbStG i.H.v. 20.000 EUR berücksichtigte der Beklagte im Bescheid einen auf volle 100 EUR abgerundeten steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 37.900 EUR. Er setzte gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer i.H.v. 5.685 EUR fest.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein.
Sie gehe davon aus, Vermächtnisnehmerin geworden zu sein. Ihr stehe der Ansatz des vollen Pauschbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG i.H.v. 10.300 EUR zu. Nur ihr Erwerb aus der Erbschaft unterliege der deutschen Erbschaftsteuer. Er gelte als gesamter Vermögensanfall im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Der auf den ausländischen Erben entfallende Teil sei auch nicht beschränkt steuerpflichtig. Eine Verteilung des Pauschbetrages auch auf den in Großbritannien ansässigen Erben sei daher unbillig. Ihr Erwerb sei durch den eventuell vorgenommenen Abzug von Beerdigungskosten vom Nachlass nicht gemindert. Der restliche – eventuell durch Beerdigungskosten geminderte – Nachlass unterliege nicht der deutschen Erbschaftsteuer und unterfalle schon deshalb nicht dem Erwerbsbegriff.
Auf die Höhe der angefallenen Kosten käme es für die Gewährung des Pauschbetrages nicht an. Für den Abzug des Erbfallkostenpauschbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG genüge es, dass solche Kosten dem Grunde nach entstanden seien. Die Kosten seien für die Erlangung des Erwerbs angefallen, weil sie ihre Identität gegenüber dem auszahlenden Rechtsanwalt habe nachweisen müssen.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 7. September 2021 als unbegründet zurück.
Der Erbfallkostenpauschbetrag sei pro Erbfall zu berücksichtigen. Dabei sei Erbfall nicht gleichbedeutend mit dem Begriff des gesamten Vermögensanfalls im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Vielmehr bedeute Erbfall die Summe der gesamten Vermögensanfälle aller am Erbfall beteiligten Erwerber. Der Erbfallkostenpauschbetrag könne von allen Erwerbern nur einmal in Anspruch genommen werden. Er werde nicht gekürzt, wenn zum Nachlass steuerfreies Vermögen gehöre. Die Verteilung des Pauschbetrages auf mehrere Erwerber sei auch dann durchzuführen, wenn diese nicht steuerpflichtig seien. Daher scheide eine volle Zuordnung des Erbfallkostenpauschbetrages auf die Klägerin aus.
Bei - wie hier - mehreren Erwerbern sei zu unterscheiden, ob sich die Aufwendungen nur auf die Erlangung des eigenen Erwerbs bezögen und nicht den Nachlass belasten oder ob sich die Klägerin auch an den anderen Kosten, z.B. Grabpflegekosten, beteiligt habe. Da eine Beteiligung der Klägerin an den typischen Sterbefallkosten nicht nachgewiesen worden sei, könnten nur die nachgewiesenen Erwerbskosten berücksichtigt werden.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Berücksichtigung des vollen Erbfallkostenpauschbetrages weiter.
Einzig ihr Teil an der Erbschaft sei in Deutschland steuerpflichtig. Alle weiteren Erwerber seien in Großbritannien ansässig. Da es somit an weiteren Anspruchsberechtigten in Deutschland fehle, kö...