Rz. 10

Nach § 25 Abs. 1 wird die Gemeinde befugt, zu bestimmen, mit welchem Hundertsatz des Steuermessbetrages (§ 13 GrStG Rz. 10 ff.) oder des Zerlegungsanteils (§ 22 GrStG Rz. 10 ff.) die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz).

§ 25 Abs. 1 GrStG räumt den Gemeinden mithin das Recht ein, den Hebesatz der Grundsteuer – unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse – autonom festzulegen.[1]

Die Einräumung dieses Rechts erfolgt auf der Grundlage der verfassungsrechtlich verankerten Hebesatzautonomie gem. Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG und dem Heberecht der Gemeinden nach § 1 GrStG (§ 1 GrStG Rz. 1 ff.).

Nach Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG ist den Gemeinden das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Mit der Einräumung des Hebesatzrechts für die Grundsteuer an die Gemeinden hat der Bund unter Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer den bundesverfassungsrechtlichen Regelungsauftrag aus Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG erfüllt. Eine gesetzliche Beschränkung des gemeindlichen Hebesatzrechts ist nicht ausgeschlossen, denn die verfassungsrechtliche Hebesatzgarantie nach Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG besteht nur "im Rahmen der Gesetze". Im "Rahmen der Gesetze" bedeutet hierbei nach Maßgabe der bestehenden Gesetzgebungsbefugnisse. Nachdem der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht hat, konnte das den Gemeinden bundesrechtlich eingeräumte Hebesatzrecht für die Grundsteuer bislang nur durch den Bundesgesetzgeber selbst oder mit seiner Ermächtigung landesrechtlich eingeschränkt werden, wie z. B. hinsichtlich der Koppelungsvorschriften und Höchsthebesätze nach § 26 GrStG.[2] Da den Ländern Wege des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b) v. 15.11.2019[3] zwischenzeitlich in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG für die Grundsteuer das Recht zu abweichenden landesrechtlichen Regelungen eingeräumt wurde (sog. Öffnungsklausel) können auch die Länder – im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen – das gemeindliche Hebesatzrecht gesetzlich beschränken.

Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass das durch Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG i. V. m. § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumte Hebesatzrecht der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden dient.[4] Es ermöglicht den Gemeinden, ihre Einnahmen durch Anhebung der Grundsteuer (und/oder der ebenfalls ihrem Hebesatzrecht unterliegenden Gewerbesteuer) an den Finanzbedarf anzupassen und damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben.[5]

 

Rz. 11

Die Erhebung einer Grundsteuer und die Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer liegen im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinden. Mit der Festsetzung des Hebesatzes ist die Entscheidung der Gemeinde verbunden, eine Grundsteuer zu erheben.

Die Rechtsform und das Verfahren bei der Festsetzung des Hebesatzes richten sich landesrechtlichen Vorschriften.[6] Die Hebesätze werden auf der Grundlage eines förmlichen Beschlusses des Gemeinderats (Gemeindeparlament) in einer Haushaltssatzung nach den Gemeindeordnungen der Länder oder in einer gesonderten Abgabensatzung nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder festgesetzt und bekanntgegeben. Die Festsetzung der Hebesätze der Grundsteuer durch die Gemeinde kann im Rahmen der jährlichen Haushaltssatzung oder – insbesondere bei Festsetzung der Hebesätze für mehrere Kalenderjahre – in einer gesonderten Satzung erfolgen.[7] Die Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer in einer gesonderten Satzung ist rechtlich unbedenklich.[8] Die Satzung zur Festsetzung der Hebesätze der Grundsteuer ist eine Rechtsnorm im formellen und materiellen Sinne.[9] Die Hebesätze haben mithin die Wirkung einer Rechtsnorm und sind damit für die Steuerschuldner bindend.[10]

Auf der Grundlage der gem. Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit als Bestandteil der Finanzhoheit, die eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft gewährleistet, haben die Gemeinden bei der Festsetzung der Hebesätze einen weiten Ermessenspielraum. Seine Grenzen findet der Ermessenspielraum allerdings in den allgemeinen Grundsätzen des Steuer- und Haushaltsrechts.[11]

In steuerrechtlicher Hinsicht ist das Hebesatzrecht der Gemeinden durch das aus Art. 20 Abs. 1 GG folgende Gebot sozialer Steuerpolitik, die im Steuerrecht spezielle Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und Übermaßverbotes, begrenzt. Hiernach dürfen die Steuerschuldner nicht übermäßig belastet werden und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigt werden.[12] Eine Begrenzung der absoluten Höhe der Steuerbelastung ergibt sich nicht aus dem Sozialstaatsgebot, sondern aus dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot.[13] Eine sog. Erdrosselungssteuer liegt nicht bereits vor, wenn einzelne Steuerschuldner die Steuer nicht tragen können. Eine solche Erdrosselungswirkung kann vielmehr erst dann bejaht werden, wenn die Gesamtheit der Steuerschuldner unter normalen Umständen die Steuer nicht aufbringen könn...

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