Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners durch Nacherhebungsbescheid bei Verletzung der Abzugspflicht. Ermessen des FA bei nicht mehr exisitierender ausländischer Vergütungsgläubiger
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwar kann bei einer Verletzung der Abzugspflicht der Vergütungsschuldner entweder durch Haftungsbescheid oder durch Nacherhebungsbescheid in Anspruch genommen werden. Aber auch bei dem Nacherhebungsbescheid handelt es sich materiell-rechtlich um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs. Daraus folgt, dass auch im Nacherhebungsverfahren die gesetzlichen Voraussetzungen der Haftung erfüllt sein müssen, wozu auch eine pflichtgemäße Ermessensprüfung gehört.
2. Es ist ermessensfehlerhaft, den Schuldner von Entgelten für die Nutzung von Patenten und Know-How durch Nacherhebungsbescheid für nicht angemeldete Steuerabzugsbeträge in Anspruch zu nehmen, wenn der ausländische Vergütungsgläubiger nicht mehr existiert.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 9, § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 3, Abs. 5; EStDV § 73g; AO §§ 167, 5
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG für 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 vom 20.4.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.7.2007 wird aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Steuerbescheid über die Festsetzung eines Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Klägerin betreibt den Handel und Vertrieb mit Maschinen im landwirtschaftlichen Bereich und ab 1999 zusätzlich auch deren Herstellung. Es besteht ein körperschaft-, gewerbe- und umsatzsteuerliches Organschaftsverhältnis zu Fa. AG.
Die Klägerin schloss am 15.6.1998 einen Patentlizenzvertrag mit der amerikanischen Gesellschaft A. International Ltd. mit Sitz in /USA (A.) über die Nutzung von Patenten und die Überlassung von technischem know-how gegen Entgelt. Unternehmensgegenstand der A. war die Herstellung von Silierpressen und Folienschläuchen zur Schlauchsilierung in der Landwirtschaft. Ab 1999 stellte die Klägerin auf der Grundlage des Lizenzvertrages selbständig Siliermaschinen her und zahlte dafür Lizenzentgelte an die A.. In § 16 des Lizenzvertrages wurde unter anderem vereinbart, dass die A. alle auf die Lizenzgebühren erhobenen direkten Steuern im Land des Lizenznehmers trägt. Die Lizenzzahlungen erfolgten ohne Steuerabzug. Sie wurden in den USA der Ertragsbesteuerung unterworfen. Die A. wurde im November 2004 an eine andere US-Firma verkauft, abgewickelt und am 7.12.2005 in den Registern der USA endgültig gelöscht.
In der Zeit vom 5. bis 14.9.2005 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2003 statt. Nach deren Auffassung unterliege die A. mit den Lizenzeinnahmen der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG), wobei die Einkommensteuer nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG im Wege des Steuerabzugs zu erheben sei. Die Prüfer stellten fest, dass eine Freistellungsbescheinigung des Bundesamtes für Finanzen für die Befreiung der Lizenzgebühren vom Steuerabzug gemäß § 50d Abs. 3 EStG nicht vorlag, die Lizenzzahlungen in den vorgelegten Bilanzen der A. verbucht und der Besteuerung in den USA zugrunde gelegt wurden.
Dem Prüfungsbericht ist weiter zu entnehmen, dass nach Auskunft des Geschäftsführers der Klägerin die Geschäftsleitung der A. nicht dazu bewegt werden konnte, noch vor der Löschung Anträge auf Erstattung der Abzugssteuern zu stellen. Die damaligen Vertreter der A. hatten erklärt, sie würden nicht mehr handeln und auch keine Ansprüche nach § 50d EStG abtreten, da die Abmeldung der Gesellschaft bereits beantragt sei.
Mit Schreiben vom 6.3.2007 gab das Finanzamt der Klägerin im Rahmen der Anhörung nach § 91 Abgabenordnung (AO) Gelegenheit, bis zum 20.3.2007 die Steuern nachzumelden und die Steuerabzugsbeträge an die Finanzkasse zu entrichten, andernfalls werde die Steuer durch Haftungsbescheid gemäß § 50a Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 73g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) und § 191 AO angefordert.
Am 20.4.2007 nahm das Finanzamt die Klägerin mit einem „Bescheid über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG” unter Hinweis auf § 167 AO wegen unterbliebener Abgabe einer Steueranmeldung durch Steuerabzug wie folgt in Anspruch:
Jahr |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
Lizenzgebühren |
38.148,69 EUR |
43.492,78 EUR |
45.246.39 EUR |
59.229,15 EUR |
96.310,13 EUR |
Steuerabzug |
9.537,17 EUR |
10.873,19 EUR |
11.311,60 EUR |
11.845,83 EUR |
19.262,02 EUR |
Solidaritäts... |