Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretung einer durch Tod des letzten Gesellschafters erloschenen Genossenschaft. Körperschaftsteuer 1994 bis 1998, Gewerbesteuermessbetrag 1994 bis 1998 und Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG auf den 31.12.1994 bis 1998
Leitsatz (redaktionell)
Wie auch ein Verein bei Fortfall aller Mitglieder erlischt auch eine Wohnungsbaugenossenschaft (hier: in den neuen Bundesländern) mit dem Tod ihres letzten Mitglieds ohne Liquidation. Es kann offen bleiben, ob das Vermögen der Genossenschaft in entsprechender Anwendung von § 92 GenG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Gemeinde übergeht, in der die Genossenschaft ihren Sitz hatte, oder ob wie beim Verein ein Pfleger zur Abwicklung der Genossenschaft zu bestellen ist.
Nach dem Erlöschen der Genossenschaft konnte von der Gemeinde nicht mehr wirksam nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB ein gesetzlicher Vertreter des Eigentümers des Grundbesitzes, für den die Genossenschaft im Grundbuch eingetragen war, bestellt werden, mit der Folge, dass eine von dem gleichwohl bestellten Vertreter wegen Steuern der Genossenschaft erhobene Klage mangels wirksamer Vollmacht durch die Genossenschaft als unzulässig abzuweisen ist.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 3; GenG § 77 Abs. 1; FGO § 62 Abs. 3 S. 1; GenG § 92; FGO § 62 Abs. 3 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten trägt der vollmachtlose Vertreter.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob es sich bei der Klägerin um ein steuerpflichtiges Rechtssubjekt handelt.
Die Klägerin ist eine Wohnungsbaugenossenschaft, die 1928 gegründet wurde. Sie hatte 218 Gründungsmitglieder. Der als Prozessbevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt A. trägt vor, die Klägerin sei auch in das Genossenschaftsregister eingetragen worden. Das Amtsgericht Z hatte dem Rechtsanwalt hierzu unter dem 14. August 2001 mitgeteilt, bisher habe festgestellt werden können, dass die Genossenschaft beim Amtsgericht P. unter der Genossenschaftsnummer registriert gewesen sei.
Die Klägerin ist als Eigentümerin in den Grundbüchern von 47 Grundstücken eingetragen. Es handelt sich um die im Grundbuch von H., Bl. …. bis … registrierten Immobilien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K … bis K … der Klageschrift verwiesen. Rechtsanwalt A. trägt vor, die Klägerin habe auf diesen Grundstücken nach ihrer Gründung Wohngebäude mit damals 280 Wohneinheiten errichtet.
Am 14. Oktober 1946 habe die Klägerin dem Oberbürgermeister der Stadt P. – Amt für Betriebsneuordnung – ihre Satzung vorgelegt. In der zur Klageschrift eingereichten Satzung, die als „Mustersatzung” bezeichnet und mit den Daten der Klägerin versehen ist, heißt es unter anderem: „…§ 9 Im Falle des Todes eines Mitgliedes gilt dieses mit dem Schlusse des Geschäftsjahres, in dem der Tod erfolgt ist, als ausgeschieden. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Mitgliedschaft des Verstorbenen durch den Erben fortgeführt. … § 17 Die Genossenschaft hat folgende Organe: a) den Vorstand b) den Aufsichtsrat und c) die Generalversammlung. … § 19 (1) Der Vorstand besteht aus drei Personen, die persönlich Mitglieder der Genossenschaft sein müssen. … § 20 (1) Der Vorstand vertritt die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich. … § 32 (1) Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. … § 39 (1) Die Auflösung der Genossenschaft erfolgt a) durch Beschluss der Generalversammlung (§§ 31g und 32 der Satzung) b) durch Eröffnung des Konkursverfahrens c) durch Beschluss des Gerichts, wenn die Zahl der Genossen weniger als sieben beträgt. … (2) Für die Liquidation sind die Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes maßgebend.”
Der Rechtsanwalt trägt vor, am 06. August 1981 sei die Klägerin durch den Rat der Stadt P. in die Treuhandverwaltung des VEB Gebäudewirtschaft P. übergeben worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin noch zwei Mitglieder. In dem als Anlage K 7 eingereichten Übergabeprotokoll heißt es unter anderem: „Die verbliebenen Mitglieder der Genossenschaft befinden sich im Rentenalter, der Geschäftsführer ist 82 Jahre alt. Trotz intensiver Bemühungen in den letzten Jahren konnten keine neuen Mitglieder gewonnen werden…”. Rechtsanwalt A. führt aus, zum „Liquidator” der Genossenschaft sei Herr H.S. bestellt worden. Dieser habe mit Schreiben vom 30. Mai 2001 mitgeteilt, dass eine Liquidation „unter den damaligen Umständen nicht möglich” gewesen sei.
Laut Übergabeprotokoll vom 01. März 1995 wurde das Genossenschaftsvermögen an das letzte Mitglied, Herrn R.O., übergeben. Als Übergebende trat die Wohnungsbaugesellschaft P. mbH auf. Herr R.O. ließ sich durch Rechtsanwalt A. vertreten. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf das Übergabeprotokoll (Anlage K 9 zur Klageschrift) verwiesen.
Im Frühjahr 1996 verstarb Herr R.O.. Mit Bescheid vom 01. Dezember 1997 bestellte die Stadt P. Rechtsanwalt A. auf dessen Antrag gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB zum gesetzlichen Vertreter des Eigentümers der im Bescheid näher bezeichneten Grundstücke. Es h...