Rz. 2
Behindertist ein Mensch, wenn er langfristige
- körperliche, seelische, geistige Beeinträchtigungen oder
- Sinnesbeeinträchtigungen
hat, welche ihn – im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Menschen – an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft hindern. Behinderungen entstehen dabei in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren. Barrieren in diesem Sinne sind nicht nur die physischen Hindernisse infolge fehlender Mobilität etc., sondern auch kommunikative Hindernisse sowie abwertende Vorurteile, unnötige Anforderungen und ausgrenzende Zugangsvoraussetzungen (vgl. Komm. zu § 2).
Die Beseitigung bzw. Minderung von bereits eingetretenen gesundheitsbedingten Behinderungen ist – wenn überhaupt möglich – aufwendig, langwierig und teuer. Deshalb verpflichtet § 3 die Rehabilitationsträger ausdrücklich, durch Prävention
- Krankheitssymptome, die bei einem Betroffenen zu einer Behinderung führen können, früh zu identifizieren und
- bereits mit Leistungen einzusetzen, wenn sich in naher oder ferner Zukunft eine Behinderung abzeichnet bzw. abzeichnen könnte.
Der Begriff des Vorrangs macht deutlich, dass Prävention in diesem Sinne kein Bestandteil der Rehabilitation ist, sondern ein vorgelagertes Handlungsfeld. Prävention nach § 3 ist auf den frühestmöglichen Ansatzpunkt von Unterstützungsangeboten gerichtet. Die Zielvorgabe nach § 3 setzt damit noch vor der eigentlichen Rehabilitation im Sinne der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe an (vgl. BT-Drs. 18/9522 S. 227 f.).
Nach Abs. 1 wird der Aufgabenbereich der Rehabilitationsträger und der Integrationsämter umrissen, innerhalb dessen ein zielgerichtetes Einwirken der Leistungsträger i. S. der Prävention anzustreben ist. Der Bezug zu den allgemeinen Aufgaben der Aufklärung, Beratung und Auskunft nach den §§ 13 bis 15 SGB I stellt klar, dass sie dem Ziel der Vermeidung des Eintritts von Behinderungen und chronischen Erkrankungen entsprechen.
Von dem präventiven Ansatz werden nach § 3 Abs. 1 des Gesetzestextes ausdrücklich auch chronisch Kranke, bei denen sich nach Fortschreiten der Erkrankung Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am beruflichen oder gesellschaftlichen Leben einstellen können, einbezogen.
Rz. 3
§ 3 befasst sich aufgrund seines Abs. 3 auch mit der Prävention am Arbeitsplatz – und zwar zur Vermeidung von krankheits- und behinderungsfördernden Verhältnissen am Arbeitsplatz (Stress, schweres Tragen von Lasten, Arbeiten im Bücken usw.).
Hier gilt es, negativen gesundheitlichen Entwicklungen entgegenzutreten, um die aktive Teilhabe bei den täglichen Verrichtungen des Lebens aufrechtzuerhalten. Ziel ist, dem von Behinderung bedrohten Menschen die Gelegenheit zu geben, möglichst lange unter normalen (Wettbewerbs-)Bedingungen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben (z. B. am Unterricht in einer Regelschule oder am Arbeitsleben) teilnehmen zu können. Es gilt, die Funktionen des Menschen möglichst lange zu erhalten, damit ihn Barrieren in seinem "Alltag" nicht behindern.
Die in § 3 Abs. 1 ausdrücklich geforderte Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 erhält durch die Erwähnung in der allgemeinen Einweisungsvorschrift des § 3 eine hervorgehobene Bedeutung für die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter. Schwerpunkt dieser Zusammenarbeit ist das betriebliche Eingliederungsmanagement, welches die Rehabilitationsträger nach § 167 mit eigenen Förderangeboten unterstützen können (vgl. auch BT-Drs. 18/9522 S. 227 f.).