Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 erfolgten Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote des § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG (sog. Schachtelprivileg)
Leitsatz (amtlich)
1. Die mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) erfolgte Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote des § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG (sog. Schachtelprivileg) von 10 % auf 15 % ist verfassungsgemäß.
2. Die Mindestbeteiligungsquote ist zu beziehen auf die kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft, allein eine Beteiligung an ihrem Gewinn zu mehr als 15 % reicht nicht aus.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; KStG § 8b Abs. 1; GewStG §§ 7, 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anwendung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gem. § 9 Nr. 2a Gewerbesteuergesetz (GewStG) bei der Ermittlung des festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrages für den Erhebungszeitraum 2009.
Die Klägerin (Kl.) ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Sie ist beteiligt an der ... Holding GmbH (Holding). Diese verfügt über ein Stammkapital von 30.000,00 EUR. Hieran ist die Kl. mit 3.000,00 EUR beteiligt. Weitere Beteiligte der Holding waren die X GmbH (21.000,00 EUR des Stammkapitals) und die Y GmbH (6.000,00 EUR des Stammkapitals). Die Stimmrechtsverteilung entsprach der Beteiligung am Stammkapital.
Am 08. Mai 2008 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Holding statt. In deren Verlauf wurde mit den auf die Kl. und die X GmbH entfallenden Stimmen beschlossen, den von der Y GmbH gehaltenen Geschäftsanteil einzuziehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung nebst Anlagen Bezug genommen.
Anschließend fand noch am 08. Mai 2008 eine weitere Gesellschafterversammlung statt, an der die aus ihrer Sicht einzigen verbliebenen Gesellschafter der Holding, die Kl. und die X GmbH, teilnahmen. Im Rahmen dieser Gesellschafterversammlung wurde beschlossen, dass anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils der Y GmbH ein neuer Geschäftsanteil in Höhe von 6.000,00 EUR geschaffen werde, der der Holding als eigener Anteil zustehen solle, wobei die mit diesen eigenen Anteilen verbundenen Gewinnbezugsrechte der Kl. und der X GmbH entsprechend deren Beteiligungsverhältnissen, also im Verhältnis 1 (Kl.): 7 (X GmbH), "zugeschrieben" werden sollten. Außerdem wurde der Gesellschaftsvertrag der Holding dahingehend geändert, dass in der Gesellschafterversammlung Beschlüsse nur noch mit einer Mehrheit von 100 % der abgegebenen Stimmen gefasst werden konnten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Protokolle der Gesellschafterversammlung Bezug genommen.
Schon zu diesem Zeitpunkt war abzusehen, dass die Y GmbH gerichtlich gegen die Einziehung ihrer Geschäftsanteile vorgehen würde, was in der Folge auch geschah. Die Streitigkeiten sind später im Wege eines am 24. September 2009 bei dem Landgericht geschlossenen Vergleichs, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, beigelegt worden.
Vor dem Hintergrund der zu erwartenden gerichtlichen Auseinandersetzungen hatten die Geschäftsführer der X GmbH und der Kl. bereits am 04. Juni 2008 schriftlich niedergelegt, dass "zwischen" diesen Gesellschaften diverse "Gesellschafterbeschlüsse und schuldrechtliche Vereinbarungen" getroffen würden. Das Schriftstück hat folgenden auszugsweisen Inhalt (Hervorhebungen befinden sich im Originaltext):
" I. Präambel
...
3. Sinn dieser Vereinbarung ist es, dass zwischen den Gesellschafterinnen X GmbH und Kl. GmbH (Hinweis: Klägerin) auch mit schuldrechtlicher Wirkung die Rechtsverhältnisse zwischen ihnen bezüglich der Positionen "Gewinnverteilung" und "Mehrheitsregelung" einvernehmlich geregelt werden, und zwar unbeschadet der Tatsache, ob die Einziehung der Geschäftsanteile der Firma Y GmbH rechtswirksam ist oder nicht.
...
II. Vereinbarungen
...
§ 2 Gewinnverteilungsabreden
1. In Urkunde ..2. vom 08.05.2008 des Notars ... haben wir unter Abschnitt II. Ziffer 2. in Ansehung des durch Abschnitt II. Ziffer 1. dieser Urkunde geschaffenen "eigenen Anteils" der Gesellschaft in Höhe von nominell € 6.000,00 (=20,0%) geregelt, dass die mit den "eigenen Anteil" verbundenen Beteiligungsprozentsätze anteilig auf die X GmbH und die Kl. GmbH übergehen wie folgt:
- X GmbH Erhöhung von bisher 70,0 % auf 87,5 %
- Kl. GmbH Erhöhung von bisher 10,0 % auf 12,5 %.
2. In Abweichung zu den in der notariellen Urkunde Nr. ..2 vom 08.05.2008 getroffenen Regelungen und in Abweichung zu § 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages der Holding GmbH vereinbaren wir bezüglich der Gewinnverteilung was folgt:
Bei der Gewinnverteilung wird von dem in § 16 geregelten Satzungsinhalt dergestalt abgewichen, als bis auf weiteres bezüglich des "eigenen Anteils" der Gesellschaft nicht eine Verteilung nach den gegebenen Beteiligungsprozentsätzen (siehe vorstehend Ziffer 1.), sondern die Verteilu...