Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 12
Die Duldungspflicht ist akzessorisch , setzt also das Bestehen einer Steuerschuld oder einer Haftungsschuld voraus. Da § 77 AO die Duldung für eine Steuer fordert, scheidet eine Duldung für steuerliche Nebenleistungen aus. Aus der Akzessorietät folgt auch, dass gegen die Duldungspflicht alle Einwendungen geltend gemacht werden können, die dem Steuerschuldner gegen die Steuerschuld zustehen. Zum Fall der Änderung der Steuerschuld vgl. unten Rz. 15.
Rz. 13
Die Duldungspflicht dient der Sicherung der Vollstreckbarkeit eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (s. Rz. 1), sie setzt also begrifflich dessen Vollstreckbarkeit voraus.
Erforderlich ist also, dass die Finanzbehörde den Anspruch gemäß § 218 Abs. 1 AO verwirklichen könnte, was grundsätzlich – ausgenommen sind nur die Säumnizuschläge – die Festsetzung des Anspruchs durch Verwaltungsakt voraussetzt.
Die Steuerfestsetzung kann auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig geschehen sein. Die Festsetzung braucht nicht bestandskräftig zu sein. Für die Duldungspflicht des Anfechtungsgegners hat BGH v. 3.3.1976, VIII ZR 197/74, NJW 1976, 967 allerdings entschieden, dass eine noch nicht bestandskräftige und noch nicht endgültige Steuerfestsetzung nur die Wirkung eines vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels i. S. v. § 10 AnfG hat. In den Duldungsbescheid ist demgemäß die Bedingung aufzunehmen, dass die Vollstreckung von der Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts oder der Endgültigkeitserklärung bzw. dem Eintritt der Bestandskraft abhängt.
Erforderlich sind ferner die Fälligkeit des Anspruchs sowie die Vollstreckbarkeit nach § 251 AO ohne Leistungshindernisse, wozu auch grundsätzlich der Erlass eines Leistungsgebots notwendig ist.
Rz. 14
Die Festsetzung des Anspruchs durch Verwaltungsakt (s. Rz. 13) hat für die Duldungspflicht grundsätzlich die Funktion eines Grundlagenbescheids. Die Duldungspflicht darf nicht über den festgesetzten Anspruch hinausgehen, sondern ist begrenzt durch die Höhe der zu zahlenden Steuer.
Rz. 15
Bei nachträglicher Änderung der Festsetzung zulasten des Stpfl. muss deshalb ein neuer Duldungsbescheid ergehen. Bei nachträglicher Minderung der Festsetzung ist der Duldungsbescheid demgemäß entsprechend zu korrigieren.
Umgekehrt ist auch der Duldungspflichtige an die Festsetzung des Anspruchs gebunden. Er kann hinsichtlich des Bestehens des festgesetzten Anspruchs keine Einwendungen mehr erheben, die auch der Schuldner nicht mehr geltend machen kann. Die Bestandskraft der Festsetzung wirkt insoweit gegen den Duldungspflichtigen.
Der Duldungsanspruch kann im Übrigen auch niedriger festgesetzt werden als der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. Das kann als Ausfluss des Ermessensspielraums der Finanzbehörde für die Geltendmachung der Duldungspflicht geschehen. Dies hat aber stets zu geschehen, wenn z. B. die Duldungspflicht zumindest teilweise ermessensfehlerhaft geltend gemacht wird oder aber schon kraft Gesetzes eingeschränkt ist. Nachträgliche Veränderungen des festgesetzten Anspruchs wirken sich unmittelbar auf die Duldungspflicht aus. Dies gilt für alle steuerlichen Erlöschensgründe, also Zahlung, Aufrechnung, Zahlungsverjährung und Erlass. Dagegen soll die Aussetzung der Vollziehung der Steuerfestsetzung die Duldungspflicht nicht beeinträchtigen.