Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 1
Das Gesetz wendet die beiden Begriffspaare Grundlagen- und Folgebescheid sowie Feststellungs- und Steuerbescheid an, die eng miteinander zusammenhängen, ohne sich jedoch völlig zu decken. So ist zwar ein Feststellungsbescheid ein Grundlagenbescheid, er kann jedoch gleichzeitig im Verhältnis zu einem anderen Bescheid Folgebescheid sein.
Bei einer doppelstöckigen Personengesellschaft ist der Gewinnfeststellungsbescheid der Personengesellschaft, an der eine andere Personengesellschaft beteiligt ist, Grundlagenbescheid für die Gewinnfeststellung dieser anderen Personengesellschaft; dieser ist insoweit Folgebescheid, seinerseits aber wieder Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung der Gesellschafter.
Andererseits ist ein Steuerbescheid zwar regelmäßig Folgebescheid, er kann aber auch Grundlagenbescheid sein. Es kann sogar vorkommen, dass zwei Bescheide im Verhältnis zueinander sowohl Grundlagen- als auch Folgebescheid sind. Darüber hinaus können auch sonstige Verwaltungsakte Grundlagenbescheide sein (vgl. Rz. 61).
Rz. 2
Daher ist jeder Feststellungsbescheid grundsätzlich auch Grundlagenbescheid; es liegt im Wesen der Feststellung, dass sie für einen anderen Bescheid bindend ist. Eine Ausnahme ist lediglich der Feststellungsbescheid nach § 251 AO, der keine Bindungswirkung für einen Steuerbescheid entfaltet (Rz. 6). Umgekehrt ist aber nicht jeder Grundlagenbescheid auch Feststellungsbescheid; auch Steuerbescheide und sonstige Verwaltungsakte können Grundlagenbescheid sein. Folgebescheide können Feststellungs- und Steuerbescheide sein; aber nicht jeder Steuerbescheid muss auch Folgebescheid sein. Es liegt nicht im Wesen des Steuerbescheids, dass er Folgebescheid ist.
Rz. 3
Das Gesetz unterscheidet nicht ausreichend zwischen den Begriffspaaren Grundlagen- und Folgebescheid einerseits sowie Feststellungs- und Steuerbescheid andererseits. Es geht unausgesprochen in seinen Regelungen davon aus, dass die Begriffe Feststellungsbescheid/Grundlagenbescheid und Steuerbescheid/Folgebescheid identisch sind. Daher sind im Gesetz zwar in §§ 179ff. AO ausreichende Regelungen für Feststellungsbescheide enthalten, Regelungen für Grundlagenbescheide fehlen aber, von der Definition in § 171 Abs. 10 AO abgesehen, völlig. Die Regelungen für Grundlagenbescheide, die keine Feststellungsbescheide i. S. d. § 179 AO sind, sind daher unvollständig und lückenhaft. Hierin liegt ein wesentlicher systematischer Mangel der AO. Eine wesentliche Lücke ist inzwischen durch Einfügung des § 171 Abs. 10 S. 2 AO geschlossen worden.