Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 67
Mit Wirkung zum 23.7.2015 sind durch Abs. 1b die Bedingungen der ambulanten Notfallversorgung weiter entwickelt worden. Damit ist die vertragsärztliche Versorgung auch außerhalb der Sprechstundenzeiten gewährleistet. Die Weiterentwicklung basierte zunächst auf den aufgehobenen Sätzen 2 und 3 des Abs. 1. Der Text des Abs. 1b Satz 1 entspricht hinsichtlich des Notdienstes dem aufgehobenen Abs. 1 Satz 2, sodass sich der Sicherstellungsauftrag in der vertragsärztlichen Versorgung darauf erstreckt, dass die Versicherten auch zu den sprechstundenfreien Zeiten zweckmäßig und ausreichend ärztlich behandelt werden. Neu ist, dass die KVen verpflichtet sind, den Notfalldienst durch Kooperation und eine organisatorische Verknüpfung mit zugelassenen Krankenhäusern sicherzustellen.
Rz. 68
Das Wort "auch" in Abs. 1b Satz 1 impliziert, dass selbstverständlich zu den Sprechstundenzeiten die vertragsärztliche Versorgung durch Vertragsärzte (Haus- und Fachärzte), Psychotherapeuten und Medizinische Versorgungszentren angemessen und zeitnah gewährleistet sein muss.
Rz. 69
Auch ein Arzt, der wegen Ungeeignetheit von der persönlichen Erbringung des Notfalldienstes ausgeschlossen ist, hat grundsätzlich auf eigenen Kosten einen geeigneten Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Einsätze zu stellen (BSG, Urteil v. 6.2.2008, B 6 KA 13/06 R). Der Arzt hatte seinen Einsatz im Notdienst abgelehnt, weil er als langjährig tätiger Arzt als Pathologe nicht qualifiziert genug war. Die eigentliche Verpflichtung ergibt sich aus der Bereitschaftsdienstverordnung der einzelnen KV (BSG, Urteil v. 28.12.2012, B 6 KA 2/92).
Ermächtigte Krankenhausärzte können nicht zum Notdienst herangezogen werden.
Es wird abzuwarten sein, wie sich das Urteil des BSG v. 24.10.2023 (B 12 R 9/21 R) auf die praktische Durchführung des Notdienstes auswirken wird. Ein im Ruhestand befindlicher Zahnarzt, der als sog. "Pool-Arzt" im Notdienst tätig wird, geht nicht automatisch einer selbständigen Tätigkeit nach. Nach Auffassung des BSG kommt es auf eine Gesamtabwägung an, wobei der unternehmerische Einfluss auf die Tätigkeit eine wesentliche Rolle spielen wird. Andernfalls unterfallen diese Zahnärzte der Sozialversicherungspflicht.
Rz. 70
Die Generalklausel des § 72 Abs. 1 lässt im Übrigen den Schluss zu, dass sich das Wort "vertragsärztliche" auch auf die vertragszahnärztliche Versorgung bezieht, sodass auch eine KZV dafür zu sorgen hat, dass sowohl zu den Sprechstundenzeiten als auch zu den sprechstundenfreien Zeiten genügend Vertragszahnärzte vorhanden sind, die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zweckmäßig und ausreichend zahnärztlich zu versorgen.
Da die sprechstundenfreien Zeiten in Satz 1 mit dem Klammerzusatz "Notdienst" umschrieben sind, können die Sprechstundenzeiten im Gegensatz dazu als "Normaldienst" der vertragsärztlichen Tätigkeit bezeichnet werden. Während der Normaldienst der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, der Psychotherapeuten und der zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren auf der Bundesebene durch zeitliche Mindestvorgaben für die Sprechstunden im BMV-Ä vertraglich geregelt sind, ist die vertragsärztlichen Versorgung in der sprechstundenfreien Zeit (Notdienst) im Rahmen des Sicherstellungsauftrages der KVen gesetzlich vorgegeben.
Rz. 71
Sprechstunden sind im § 17 Abs. 1 BMV-Ä so beschrieben, dass jeder Vertragsarzt gehalten ist, an seinem Vertragsarztsitz sowie an weiteren Tätigkeitsorten Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung mindestens in dem in Abs. 1a geregelten Umfang festzusetzen und seine Sprechstunden auf einem Praxisschild bekanntzugeben. Die Höchstzeiten für Tätigkeiten an weiteren Tätigkeitsorten sind zu beachten. Die Sprechstunden sind grundsätzlich mit festen Uhrzeiten auf dem Praxisschild anzugeben. Sprechstunden "nach Vereinbarung" oder die Ankündigung einer Vorbestellpraxis dürfen zusätzlich angegeben werden. Die Ankündigung besonderer Sprechstunden ist nur für die Durchführung von Früherkennungsuntersuchungen zulässig.
Rz. 72
Nach Abs. 1a ist der sich aus der Zulassung ergebende Versorgungsauftrag des Vertragsarztes dadurch zu erfüllen, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung steht. Für einen Teilversorgungsauftrag gelten die vorgenannten Sprechstundenzeiten entsprechend auf der Grundlage von 10 Stunden wöchentlich für den Vertragsarztsitz. In allen Fällen der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren oder an mehreren Tätigkeitsorten außerhalb des Vertragsarztsitzes gilt, dass die Tätigkeit am Vertragsarztsitz alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen muss. Bei Medizinischen Versorgungszentren gelten die vorgenannten Regelungen mit der Maßgabe, dass die angegebenen Mindestzeiten für den Versorgungsauftrag des Medizinischen Versorgungszentrums insgesamt unabhängig von der Zahl der beschäftigten Är...