Rz. 2
Bebaute Grundstücke wurden der Besteuerung lange Zeit ganz allgemein mit dem gemeinen Wert unterworfen. Verfahren zur Ermittlung des Grundstückswerts waren gesetzlich nicht geregelt.
Rz. 3
Eine gewisse Änderung brachte insoweit § 77 des Wehrbeitragsgesetzes v. 3.7.1913. Es führte den Ertragswert als Bewertungsmaßstab für solche bebauten Grundstücke ein, die Wohn- oder gewerblichen Zwecken zu dienen bestimmt waren und bei denen die Bebauung und Nutzung ortsüblichen Verhältnissen entsprach. Zur Ermittlung des Ertragswerts bestimmte das Gesetz das Fünfundzwanzigfache des Miet- oder Pachtertrags, der im Durchschnitt der letzten Jahre erzielt wurde. Vor Anwendung des Vervielfältigers durfte der Miet-(Pacht-)Ertrag um ein Fünftel für Nebenleistungen und Instandhaltungskosten oder um einen als erforderlich nachgewiesenen höheren Betrag gekürzt werden. Der Stpfl. konnte auch die Zugrundelegung des gemeinen Werts verlangen.
Aus der Bewertung mit dem Ertragswert waren Grundstücke auszuscheiden, die besonders wertvolle, nur in Einzelstücken, nicht in Typen vorkommende Gebäulichkeiten – Luxusbauten – auswiesen, sowie Grundstücke mit Bauten, die im Verhältnis zur Grundfläche besonders geringwertig waren.
Rz. 4
In gleicher Weise war die Bewertung für die Steuern vom Vermögen einschließlich der Erbschaftsteuer in § 152 Abs. 2, 5 und 6 AO 1919 geregelt.
Rz. 5
§ 35 Abs. 1 RBewG 1925 und § 55 i.V.m. § 11 Abs. 2 RBewG 1931 schrieben für bebaute Grundstücke, die in ortsüblicher Weise bebaut waren oder gewerblichen Zwecken dienten, die Bewertung mit dem Ertragswert, für andere Grundstücke die Bewertung mit dem gemeinen Wert vor. Zur Ermittlung des Ertragswerts war der im Durchschnitt nachhaltig erzielbare Reinertrag zugrunde zu legen. Zu dessen Feststellung war der nachhaltig erzielbare Rohertrag zu ermitteln. Dieser war um die zur Erzielung des Rohertrags erforderlichen Aufwendungen zu kürzen. Der Reinertrag wurde mit 18 vervielfacht (§ 45 Abs. 1 DB 1931).
Rz. 6
Für zwangsbewirtschaftete Grundstücke galten Sondervorschriften. § 52 RBewG 1934 enthielt – soweit hier von Bedeutung – lediglich eine Ermächtigung an den früheren RdF, die für die Bewertung u.a. der bebauten Grundstücke maßgebenden Bestimmungen zu treffen. In Ausfüllung dieser Ermächtigung regelten die §§ 32–43 der Durchführungsbestimmungen zu RBewG v. 2.2.1935 – BewDV – die Bewertung des Grundvermögens im Grundsatz mit dem gemeinen Wert.
Nach § 33 Abs. 1 BewDV waren Mietwohngrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke zwar mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete zu bewerten. Bei dieser Bewertungsmethode handelte es sich jedoch nicht um die Bewertung mit einem Ertragswert, sondern um eine, allerdings schematisch durchgeführte, Bewertung mit dem gemeinen Wert. Denn die Vervielfältiger, mit denen die Jahresrohmiete zu multiplizieren war, waren aus den Kaufpreisen (gemeinen Werten) typischer Grundstücke ermittelt worden (weitere Einzelheiten s. § 78 BewG Anm. 6).
§ 33 Abs. 2 Satz 1 BewDV schrieb für alle übrigen Grundstücke ausdrücklich die Bewertung mit dem gemeinen Wert vor (weitere Einzelheiten s. Vorbemerkungen zu den §§ 83–90 BewG, Vor § 83 BewG). § 33 Abs. 2 Satz 2 BewDV räumte den Oberfinanzpräsidenten eine Ermächtigung zum Erlass weiterer Bewertungsvorschriften ein, um die Bewertung den örtlichen Bedürfnissen und Gepflogenheiten des Grundstücksverkehrs anpassen zu können. In Ausfüllung dieser Ermächtigung ordneten verschiedene Oberfinanzpräsidenten für die Bewertung bestimmter Gruppen von Geschäftsgrundstücken das Rohmietenverfahren an. Bei der Bewertung von Einfamilienhäusern wurde in gewissen Bereichen z.T. die Wertermittlung auf der Grundlage des Vielfachen der Jahresrohmiete durch die Bewertung mit dem gemeinen Wert ersetzt. Teilweise war auch eine Kombination beider Verfahren vorgeschrieben.