Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 186
Ein Industriegebäude in Massivbauweise ist für Schenkungsteuerzwecke auf den 1.7.2023 zu bewerten. Das Gebäude wurde im Rahmen eines Nutzungsrechts auf fremdem Grund und Boden errichtet. Es wird in vollem Umfang zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzt und unterliegt einer Spezialnutzung (keine übliche Miete ermittelbar). Das Gebäude wurde 1993 fertig gestellt und weist einen mittleren Gebäudestandard (Stufe 3 = Basis) auf. Die Restlaufzeit des Nutzungsrechts beträgt am Bewertungsstichtag abgerundet noch fünf Jahre (bis 31.10.2028). Das Gebäude geht bei Beendigung des Nutzungsrechts auf den Eigentümer des Grund und Bodens über. Hierfür ist eine Entschädigung in Höhe von 67 % des zum Ablauf des Nutzungsrechts bestehenden Gebäudewerts vereinbart worden. Die Brutto-Grundfläche des Gebäudes beträgt 2.750 m[2]. Für die Errichtung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden wurde vom Eigentümer des belasteten Grundstücks eine Grundstücksfläche von 3.000 m[2] vertraglich überlassen. Hierfür ist ein vertraglich vereinbartes jährliches Nutzungsentgelt in Höhe von 8.000 EUR zu zahlen. Der Bodenrichtwert beträgt 50 EUR/m[2]. Für die Anwendung des Sachwertverfahrens stehen weder Regionalfaktoren noch Sachwertfaktoren zur Verfügung.
Das Industriegebäude wurde von einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens errichtet und ist dem anderen aufgrund der Nutzungsüberlassung des Grund und Bodens zuzurechnen. Es handelt sich damit um ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Das Industriegebäude stellt ein Geschäftsgrundstück (nach § 181 Abs. 6 BewG) dar, da das Grundstück zu 100 % den eigenen gewerblichen Zwecken dient.
Für das Geschäftsgrundstück lässt sich aufgrund der Spezialnutzung keine übliche Miete ermitteln, so dass die Bewertung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nach dem für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 geltenden Sachwertverfahrens erfolgt (§ 195 Abs. 2 bis 4 BewG sowie Kommentierung zu § 190 BewG ab 1.1.2023). Da weder Regionalfaktoren noch Sachwertfaktoren vom örtlichen Gutachterausschuss zur Verfügung stehen, sind die gesetzlichen Werte maßgebend.
Die typisierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer beträgt für ein Industriegebäude nach Anlage 22 zum BewG 40 Jahre. Da das Gebäude bei Ablauf des Nutzungsrechts auf den Eigentümer des Grund und Bodens (Verpächter) übergeht, ergibt sich keine verkürzte tatsächliche Gesamtnutzungsdauer. Am Bewertungsstichtag ist das Gebäude 30 Jahre alt (1993 bis 2023), so dass sich grds. eine Restnutzungsdauer von 10 Jahren ergibt. Hierbei ist aber die Regelung zur Mindest-Restnutzungsdauer i.H.v. 30 % der Gesamtnutzungsdauer (vgl. § 190 Abs. 6 Satz 5 BewG) zu beachten. Die Mindest-Restnutzungsdauer beträgt demnach 12 Jahre (30 % × 40 Jahre Gesamtnutzungsdauer). Da die (Mindest-)Restnutzungsdauer des Gebäudes die Restlaufzeit des Nutzungsrechts von 5 Jahren übersteigt und der Gebäudewert bei Ablauf des Nutzungsrechts zu 33 % entschädigungslos auf den Eigentümer des Grund und Bodens übergeht, ist ein nicht zu entschädigender Wertanteil des Gebäudes bei Ablauf des Nutzungsrechts wertmindernd zu berücksichtigen.
Der Wert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden ermittelt sich wie folgt: